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In Santiago sehen wir uns wieder

In Santiago sehen wir uns wieder

Titel: In Santiago sehen wir uns wieder
Autoren: Brigitte Uhde-Stahl
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verlorenen Bruchstücke meines goldenen Taufbechers.« - »Nicht, bevor du mir den Fisch mit den goldenen Kiemen gefangen hast«, antwortete der Fischer. - »Wo wohnt er?« - »Tief unten am Grund des Teiches.« - »Ich kann nicht schwimmen«, sagte die Prinzessin, aber sie warf sich einfach hinein ins Wasser, und siehe da, plötzlich konnte sie schwimmen. Sie schwamm und schwamm, tiefer und tiefer, an flimmernden Riffen vorbei, durch blaudunkle Höhlen hindurch. Bunt leuchtende Fische und seltsame Wesen mit langen Armen glitten an ihr vorüber. Allmählich wurde es ihr eng um die Brust. »Hol mich heraus«, hörte sie eine Stimme sagen, »ich habe so lange auf dich gewartet.« Ihre Blicke folgten der Stimme, da sah sie das Fischlein, seine Schuppen leuchteten tiefblau metallen, die Kiemen aber waren aus Gold. Leni griff den Fisch fest mit beiden Händen, damit er ihr nicht entgleite, dann verlor sie das Bewusstsein. Als sie erwachte, stand die Fee vor ihr, in ein tiefblau metallen schimmerndes Gewand gehüllt. Sie lächelte und gab der Prinzessin ein Bruchstück ihres goldenen Bechers, dann schon war sie verschwunden. Da freute sich die Prinzessin zum ersten Mal.
     

Portomarín –Ligonde
    Dienstag, 29. Juli
     
    Ligonde. Eine kleine Herberge, von einer christlichen Vereinigung finanziert und von jungen Menschen geführt. »Eine Sekte vermutlich«, zischelt mir Amanda ins Ohr. »Möglich«, antworte ich, »aber schau, wie sie strahlen und herzlich sind!« - »Wir sind gesegnet«, sagt einer, als sich zwei weitere Pilger für die Nacht anmelden. »Ihr ermöglicht uns, unsere Arbeit zu tun.« Ich bade meine Füße in warmem Wasser, welch ein Wohlgefühl! Jane erzählt mir von ihrer Missionsarbeit mit spanischen Studenten, dann betrauern wir gemeinsam den Verlust ihres Elternhauses in Indiana, das vom Feuer zerstört wurde. Auf dem Bett liegend gehe ich die Bilder meiner Schmerzen durch, meine Sorgen und Ängste - sie haben ihren Biss verloren. Aus dem Lichthaus in Beaulieu etwas anderes machen, einen Ort... ach nein, nicht denken, loslassen, etwas wird geschehen.
    Unter dem Fenster die Straße: Kühe, von Reitern getrieben, Lastwagen, ein Traktor reicht fast bis zu mir herauf, eine Frau mit buntem Kopftuch lockt ihre Hühner, ein Hahn kräht. Pilger ziehen plaudernd vorbei, trinken den gratis angebotenen Kaffee, blättern in den Missionsheftchen, dann sind sie weg. Nach einem leckeren Abendessen stehen plötzlich Helen und Bärbel im Perlenvorhang, aufgeregt weinend. Der Mann, der uns heute Morgen in Portomarín aggressiv und schrill angebettelt hatte, war in ihrer Herberge vier Kilometer vor Ligonde aufgetaucht und hatte sie bitterböse angestarrt. »Ich habe ihn auch gesehen«, sagt Pierre aus Nizza, »er hat einen seltsam stechenden Blick und brabbelt während des Gehens vor sich.« - »Aber hier seid ihr in Sicherheit, wir werden die anderen Herbergen verständigen«, sagt Juan, »herzlich willkommen.« Und nun wird Helens 20. Geburtstag gefeiert, mit Kerzen, Eis und einem spanischen >Happy birthday to you<.
     

Ligonde – Casanova
    Mittwoch, 30. Juli
     
    Bella: »Heute geht es nach Casanova.« Amanda: »Hihi, ausgerechnet.« Bella: »Dumme Gans!«
    Der Weg führt weiterhin auf Hohlwegen oder Landstraßen durch kleine Dörfer und Weiler. Plötzlich stehen Eukalyptusbäume neben Feigen, Palmen und Kastanien. Es ist 11 Uhr, der Himmel reißt auf, mein Schatten geht lang und schmal vor mir her. Ein Flugzeug schwimmt durch das Blau des Himmels. In wenigen Minuten wird es in Santiago landen!
    »Kannst du dir vorstellen, Amanda, dass wir bald in der Goldenen Stadt ankommen? Am liebsten würde ich ein Auto nehmen und durchstarten.« - »Das gilt nicht«, schreien meine Füße aus Santiago herüber, »meinst du, wir warten hier so lange auf dich, damit du am Ende schummelst?« - »Geduld, Geduld«, sagt Amanda. »Du weißt doch, dass du genau noch diese 68 Kilometer brauchst. In der Langsamkeit liegt die Weisheit.« - »Hab nur mal so gedacht«, murmele ich und gehe, gehe, Schritt für Schritt. Kein Pilger weit und breit. Doch da, wo ich mich an einem Friedhofskirchlein niederlasse, um zu zeichnen, tröpfeln sie vorbei. Amanda stimmt ein Lied an: »Machet auf das Tor, machet auf das Tor, es kommt ein goldener Wa-a-gen.« - »Was will er denn, was will er denn?« - »Er will die Bälla ha-ha-ben.« So schaukeln wir singend unseren Weg weiter, die anderen schaukeln mit, Pilger schwer bepackt, Wanderer, Touristen, jung
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