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In meinem Himmel

Titel: In meinem Himmel
Autoren: Alice Sebold
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Decke und tolle Fenster über der Haustür?«
    »Ja«, sagte Samuel, während mein Vater beunruhigt reagierte. »Aber das lässt sich reparieren, Mr. Salmon. Da bin ich ganz sicher.«
    »Es gehört Ruths Dad«, sagte Ray.
    Einen Augenblick lang waren alle still, dann fuhr Ray fort:
    »Er hat einen Kredit aufgenommen, um alte Häuser wie das da zu kaufen, die noch nicht zum Abriss vorgesehen sind. Er will sie restaurieren.«
    »Mein Gott«, sagte Samuel.
    Und ich war fort.

Gebeine
    Man merkt nicht, dass die Toten verschwinden, wenn sie wirklich beschließen, einen zu verlassen. Das soll man auch nicht. Man spürt sie höchstens als ein Wispern oder als eine zurückweichende Woge des Gewispers. Ich würde es mit einer Frau vergleichen, die in einem Hörsaal oder einem Theater ganz hinten sitzt und die niemandem auffällt, bis sie hinausschlüpft. Und nur diejengen, die selbst der Tür nahe sind, merken etwas; für die Übrigen ist es wie eine unerklärliche Brise in einem geschlossenen Raum.
    Grandma Lynn starb etliche Jahre später, doch ich habe sie hier noch nicht gesehen. Ich stelle mir vor, wie sie sich in ihrem Himmel mit Tennessee Williams und Dean Martin mit Mint Juleps einen andudelt. Wenn sie bereit ist, wird sie kommen, ganz bestimmt.
    Ehrlich gesagt, schleiche ich mich gelegentlich immer noch fort, um meine Familie zu beobachten. Ich kann nicht dagegen an, und manchmal denken sie noch an mich. Sie können nicht dagegen an.
    Nachdem Lindsey und Samuel geheiratet hatten, setzten sie sich in das leere Haus an der Route 30 und tranken Champagner. Die Zweige der Bäume waren in die Fenster im Obergeschoss gewachsen, und sie kauerten darunter, wohl wissend, dass die Äste würden beschnitten werden müssen. Ruths Vater hatte versprochen, ihnen das Haus zu verkaufen, wenn Samuel dafür als sein erster Angestellter in einem Restaurierungsbetrieb mit seiner Arbeitskraft bezahlte. Bis zum Ende des Sommers hatte Mr. Connors das Grundstück mit Hilfe von Samuel und Buckley gerodet und einen Trailer aufgestellt, der ihm tagsüber als Büro und Lindsey abends als Studierzimmer dienen sollte.
    Anfangs war es ungemütlich, da sanitäre Anlagen und Strom fehlten und sie zum Duschen zu ihren Eltern fahren mussten, doch Lindsey vergrub sich ins Lernen, und Samuel vergrub sich ins Aufstöbern von Türknäufen und Lampen aus der richtigen Ära. Es überraschte alle, als Lindsey feststellte, dass sie schwanger war.
    »Es kam mir doch gleich so vor, als wärst du dicker geworden«, meinte Buckley lächelnd.
    »Du musst gerade reden«, sagte Lindsey.
    Mein Vater träumte davon, dass er eines Tages vielleicht ein weiteres Kind lehren könnte, Flaschenschiffe zu lieben. Er wusste, dass damit Traurigkeit und Freude verbunden sein würden, dass es ihn stets an mich erinnern würde.
    Ich würde gern sagen, dass es hier wunderschön ist, dass ich für alle Zeiten in Sicherheit bin und Sie das eines Tages auch sein werden. Aber in diesem Himmel geht es nicht um Sicherheit, ebenso wenig, wie es in seiner Barmherzigkeit um handfeste Realität geht. Wir haben unseren Spaß.
    Wir schaffen Dinge, die die Menschen verblüffen und dankbar machen, zum Beispiel Buckleys Garten, der sich das eine Jahr in einem verrückten Gewirr von Pflanzen entfaltete, die alle gleichzeitig blühten. Ich tat das für meine Mutter, die, nachdem sie sich zum Bleiben entschlossen hatte, wieder mit dem Garten konfrontiert war. Sie staunte über all die Blumen und Kräuter und knospenden Gräser. Staunen, das tat sie oft nach ihrer Rückkehr - über die überraschenden Wendungen, die das Leben nimmt.
    Und meine Eltern verschenkten meine restlichen Besitztümer an die Heilsarmee, zusammen mit Grandma Lynns Sachen.
    Sie teilten ihre Gefühle für mich. Zusammen zu sein, an die Toten zu denken und über sie zu reden wurde ein vollkommen normaler Teil ihres Lebens. Und ich lauschte meinem Bruder Buckley, wenn er Schlagzeug spielte.
    Aus Ray wurde Dr. Singh, »der echte Doktor in der Familie«, wie Ruana gern sagte. Und er erlebte immer mehr Augenblicke, denen er sich nicht ungläubig verschloss. Obwohl er umgeben war von seriösen Chirurgen und Wissenschaftlern, die über eine Welt in Schwarz-Weiß herrschten, hielt er an dieser Möglichkeit fest: dass die winkenden Fremden, die den Sterbenden manchmal erschienen, nicht das Resultat von Schlaganfällen waren, dass er Ruth mit meinem Namen angesprochen und dass er mich tatsächlich geliebt hatte.
    Wenn er jemals
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