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In Liebe, Rachel

In Liebe, Rachel

Titel: In Liebe, Rachel
Autoren: Lisa Higgins
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Gewicht und drehte sich leicht zu Grace. »Ich liebe ja Maisbrot, aber Challa ist auch in Ordnung. Hast du daran gedacht, deine Cinderella-Zahnbürste einzupacken?«
    »Hm.«
    »Und die neue Unterwäsche, die mit der Prinzessin drauf?«
    »Tante Jo!« Grace blickte auf. »Man spricht nicht über Unterwäsche!«
    »Und warum nicht? Ein Mädchen muss sie schließlich tragen.« Jo zog am Revers ihres schwarzen Sakkos und blinzelte spielerisch in ihren Ausschnitt. »Meine ist rot.«
    Rot, aus Spitze und ganz schön verrucht. Rachel hätte es verabscheut, sie alle wie eine Herde Kühe hier versammelt zu sehen. Nur der Respekt vor der Familie – und Grace – hatte Jo davon abgehalten, in einem Minilederrock und High Heels auf dem Friedhof zu erscheinen.
    Grace verdrehte die Augen, konnte aber ein Lächeln nicht ganz unterdrücken. »Ich habe genug für zwei ganze Wochen eingepackt, Tante Jo. Wie du es gesagt hast.«
    »Braves Mädchen.«
    Zum Glück hatte Grace mittlerweile Übung im Packen. Das Arrangement, das Jo mit den Brauns getroffen hatte, beinhaltete viele Fahrten zwischen New York und New Jersey. Erst vor einem Monat war Grace aus Teaneck zurückgekehrt, wo sie den Sommer verbracht hatte. Jo wusste, dass die zurückliegenden Wochen für Mrs Braun schwierig gewesen waren, auch wenn die ältere Frau dies nie zugeben würde. Mrs Braun hatte sich immer noch nicht an die Tatsache gewöhnt, dass Grace vor allem in New York bei Jo zu Hause war. Gott sei Dank versuchte sie nicht mehr, die Sorgerechtsvereinbarungen anzufechten, und war Kompromissen gegenüber etwas aufgeschlossener. Jo hoffte, dass Mrs Braun mit der Zeit erkennen würde, dass die momentane Situation die bestmögliche in einer unvollkommenen Welt war.
    Jetzt standen die jüdischen Neujahrsfeiertage vor der Tür, und Grace sollte sie in New Jersey verbringen. Jo wollte die Zeit für die Arbeit nutzen und ihrem Chef beweisen, dass die Gleitzeit, die sie mit ihm vereinbart hatte, nicht zu Lasten ihren Jobs ging, sondern allein dazu diente, eine gute Mutter für Grace zu sein.
    Ja, es war ein langer, harter Weg gewesen, aber sie hatte das Dasein als arbeitende Mutter in den Griff bekommen.
    »Tante Jo?«
    »Ja, Kleines?«
    »Wohin werde ich kommen, wenn du stirbst?«
    Jo atmete so scharf ein, dass sie sich an ihrem eigenen Speichel verschluckte. Sie hustete heftig, schirmte ihren Mund mit dem Unterarm ab und drehte sich mit einer entschuldigenden Geste um, um in ihrer Tasche nach Taschentüchern zu suchen. Sie hustete ein wenig länger als notwendig, während sie verzweifelt nach einer angemessenen Antwort suchte.
    So leicht wirst du mich nicht los, Kleines, keine Angst.
    Keine Angst! Das konnte sie Grace nicht sagen. Mit diesen Worten hatte man das kleine Mädchen schon einmal besänftigt, als ihre Mutter das erste Mal ins Krankenhaus kam, und jetzt saßen sie hier auf einer Bank auf dem Friedhof.
    Nachdem Jos Hustenanfall vergangen war und sie sich die Augen mit einem Taschentuch abgetupft hatte, blickte sie Grace aufmerksam an. Sie hatte die Augen ihrer Mutter Rachel, groß in dem kleinen Kindergesicht, so tiefgründig und braun wie Rachels, doch ohne das Lachen und die Weisheit, voller Unschuld, aber auch voller Trauer.
    Jo folgte ihrem Bauchgefühl und sagte Grace das, was sie damals selbst gern gehört hätte, auf einer Bank am Grab ihrer eigenen Mutter, vor vielen, vielen Jahren.
    Sie sagte die Wahrheit.
    »Das ist eine gute Frage, Süße.« Sie zerknüllte das Taschentuch und verstaute es in ihrer Handtasche. »Ich habe zwar nicht vor, so bald irgendwohin zu gehen, aber«, fügte sie mit einem Nicken in Richtung der Trauergäste hinzu, »es schadet nichts, sich mal Gedanken über die Alternativen zu machen.«
    Am Grab begann der Rabbi, einige Psalme zu lesen. Das singende Hebräisch wurde zu ihnen herübergetragen. Jo warf einen Blick zu Leah und ihrem Mann Abe hinüber, die nahe beim Grabstein standen. Abe stützte sich auf seinen Rollator, Leah hielt ihren Gehstock mit gebeugtem Kopf fest gepackt.
    »Nun, du hast ja deine Nana und deinen Großvater.« Jo strich mit einem Finger sanft eine widerspenstige Haarsträhne in Grace’ Frisur an ihren Platz. »Du hast ein Zimmer bei ihnen, hier in New Jersey. Wenn mir irgendetwas zustößt, hast du also trotzdem ein Zuhause.«
    In diesem Moment geriet Leahs Gehstock ins Schwanken, und die ältere Dame musste sich auf Jessie stützen. Grace bemerkte die körperliche Schwäche ihrer Großmutter und schaute
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