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In Liebe, Rachel

In Liebe, Rachel

Titel: In Liebe, Rachel
Autoren: Lisa Higgins
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auf.
    »Sarah-Belle …«
    Sie wandte den Blick ab und gab vor, interessiert auf ihre schmutzigen Flip-Flops zu schauen. Das war zu viel, zu viel auf einmal, zu viele Gefühle, die in ihr explodierten. Seit dem Tag vor einem Jahr, an dem er den Hügel heraufgefahren war, an dem sie ihn nach vielen Jahren wiedergesehen und er sich mit einem Grinsen und einem Zwinkern vorgestellt hatte, hatte sie sich gegen ihn gewehrt, gegen seine Taktiererei, auch dann noch, als er ihr Ausrüstungsgegenstände brachte, von denen sie zuvor nicht einmal zu träumen gewagt hatte. Sie hatte versucht, ihn mit ihrer selbstgerechten Art und ihren Streitereien über Moral und Gewissen zu vertreiben, doch er war immer wieder zurückgekehrt. Sie hatte ihn ignoriert und ihn angeschrien, und selbst als sie sich schamlos einem anderen Mann an den Hals warf, ließ er nicht locker, beständig und unnachgiebig und seiner selbst sehr sicher. Sam machte ihr Angst. Warum, das hatte sie nie verstanden – bis jetzt.
    Seine Finger lagen plötzlich unter ihrem Kinn. Sie schmiegte sich an den sanften Druck, wagte es, in sein Gesicht zu schauen, das nur Zentimeter von ihrem entfernt war, wie sie es schon einmal gewagt hatte, unter einer Akazie am Tanganjikasee. Eindringlich, forschend blickte sie in sein Gesicht. Die Narben auf seinen Wangen waren wie die Sterne am Nachthimmel, das Gegenstück zu ihren Sommersprossen. Sam, ihr dunkles Spiegelbild.
    »Ich dachte, dass du
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verlassen würdest«, sagte sie atemlos. »Ich dachte, du kämst nicht zurück.«
    »Das dachte ich auch.« Seine Nasenflügel weiteten sich, als er einen Augenblick lang über ihren Kopf hinweg auf den gewaltigen Dschungel ringsum blickte. »Aber dieser Ort, diese Menschen …« Seine Kiefer mahlten. »Hier ist meine Berufung.«
    »Du bist nicht wütend auf mich?«
    »Weil du loyal bist?« Er schüttelte den Kopf. »Das kann ich dir nicht vorwerfen. Schließlich liebe ich dich unter anderem deswegen.«
    Sie hob ihre Hand und legte sie flach auf seine Brust, genau über sein Herz. Unter der warmen Baumwolle spürte sie den kräftigen, regelmäßigen Herzschlag.
    »Kate hat mir erzählt, dass du mit ihm fertig bist«, sagte er gepresst.
    Sie brauchte einen Moment, um zu verstehen, wen er meinte.
    »Ja, ich bin fertig mit Colin.«
    Sarah fühlte die Rundung seines Brustmuskels, hart und angespannt unter ihrer Berührung. Sie wollte ihre Hand auf seine nackte Haut legen, ihn liebkosen, wollte ihn spüren … Sam, der leibhaftig vor ihr stand, aus Fleisch und Blut, Herz und Seele, in all seinem warmen, verlangenden Glanz.
    Er hätte überall hingehen können. Er hätte innerhalb der Organisation in ein anderes Gebiet wechseln können. Er hätte auch nach England zurückkehren und in einem Büro arbeiten können. Er hätte sich von ihr, von Burundi, freimachen und seine Tage damit verbringen können, im Fernsehen Kricket zu schauen und Würstchen mit Kartoffelbrei zu essen. Darüber hatte er wochenlang gesprochen, nachdem sie das Mädchen mit den schiefen Zöpfen gerettet hatten, und Sarah hatte seinen Worten mit einer ganz ähnlichen Sehnsucht gelauscht.
    Doch er war zurückgekehrt. Nach Burundi, zu dem Guten und dem Schlechten und zu ihr – weil er stärker war als sie. Er hatte ein gutes Herz und war unerschütterlich loyal. Vielleicht gab es doch jemanden, der in seiner unvollkommenen Menschlichkeit vollkommen war – nämlich Sam. Sie selbst war eine Idiotin gewesen, die in die falsche Richtung, zu dem falschen Mann geschaut hatte, selbst als der richtige schon lange still neben ihr war.
    Sie schloss die Augen und drückte ihre Nase an seine Brust. Sein Hemd roch nach sonnenwarmer Seife. »Ich muss dir etwas sagen …«
    »Lass die Vergangenheit ruhen«, unterbrach Sam sie. »Es spielt keine Rolle mehr.« Er griff mit gespreizten Fingern in ihre Lockenmähne und fasste sie auf ihrem Kopf zusammen. »Du warst so lange fort, dass ich fürchtete, du würdest nicht mehr zurückkehren. Ich habe dich vermisst, Sarah-Belle.«
    »Sam …«
    »Schsch.« Er vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. »Wir haben genug Zeit.«
    »Aber du sollst es doch wissen.« Sie legte ihre Wange an seine Brust, fühlte seine nackte Haut in dem Hemdausschnitt. »Sam, ich bin wegen dir nach Burundi zurückgekommen.«
     
    Sam schaltete in den vierten Gang, während Sarah ihr Gesicht in den Wind hielt. Sie hatten die unwegsamen Bergpfade hinter sich gelassen und fuhren nun auf befestigten Straßen
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