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In Liebe, Rachel

In Liebe, Rachel

Titel: In Liebe, Rachel
Autoren: Lisa Higgins
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Patienten folgten ihm neugierig. Sarah beschäftigte sich immer noch mit dem Baby, richtete das Baumwolltuch, auf dem es lag, bis sie eine leise Stimme zu hören glaubte – halb Rachels, halb ihre eigene.
    Feigling!
    Sie riss sich den Kittel vom Leib, warf ihn über eine leere Pritsche und ging durch den Registrierungsbereich zum Haupteingang.
    Die übliche Menge aus Ziegen, Kindern, Kühen und anderen Neugierigen hatte sich um Sams Jeep versammelt, der über und über mit Schlamm bespritzt war, so dass nur noch hier und da der weiße Lack und Stücke der Windschutzscheibe aufblitzten. Es war ihm immerhin gelungen, sich den schlammigen Hügel hinaufzukämpfen. Er selbst wirkte wie aus einer anderen Welt, wie er ein Stück von dem Jeep entfernt stand, den Rücken gerade, in ein blendend weißes Button-Down-Hemd und gestärkte Khakis gekleidet.
    Sarah packte den Zweig, der als Türgriff diente. Sam sah gesund und stark aus. Die dunkle Haut seiner Brust schimmerte durch das weiße Hemd. Er krempelte die Ärmel auf und entblößte seine starken, sehnigen Unterarme. Still stand er da, fühlte sich offensichtlich unwohl, wartete auf etwas.
    Sie trat ins Freie und stellte sich neben Dr. Mwami. Sams Blick fiel auf sie. Sie wappnete sich gegen Wut, Verurteilung, Bestürzung – oder, am schlimmsten, Gleichgültigkeit –, doch sein Blick flackerte und war nicht zu deuten.
    Sarah verlagerte ihr Gewicht, um die Balance zu halten. Sie musste unbedingt ihre Ration essen.
    »Sam, was ist los?«, fragte Dr. Mwami scharf. »Ich habe jede Menge Patienten.«
    Sam drehte sich um und nickte einem großen jungen Mann zu, der prompt davonlief. Dann beugte er sich nach vorn und gab einem Jungen am anderen Ende des Jeeps ein Zeichen, der daraufhin in eine andere Richtung rannte und einen Moment später wiederauftauchte. Er trieb vier junge Ziegen vor sich her, und der erste Mann, der sich nun durch die Menge kämpfte, führte eine braune Ankole-Kuh am Horn mit sich.
    Die Menge murmelte bewundernd, scharte sich um die Kuh, und die Frauen grinsten entzückt.
    »Dr. Mwami, ich habe lange Zeit darüber nachgedacht, wie ich das hier am besten angehen soll«, sagte Sam. »Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Sie der richtige Mann sind. Ich will Ihnen ein Angebot machen.«
    »Sprich nicht so umständlich, Sam! Ist das wieder mal einer von deinen Scherzen?«
    »Nein, es ist kein Scherz.« Ein Muskel zuckte in Sams dunkler Wange und fing das Sonnenlicht ein. »Sie sind doch quasi der Pflegevater für viele der vaterlosen Töchter hier im Camp.«
    »Und?«
    »Ich bin hier, um Ihnen ein Angebot für einen Brautpreis zu machen«, sagte Sam und deutete auf die Ziegen und die Kuh.
    »Ein Brautpreis?« Erheiterung machte sich auf Dr. Mwamis sonst eher ausdruckslosem Gesicht breit. »Die Burundi-Tradition. Du willst heiraten?«
    Sarah schwankte, atmete langsam und tief ein. Regenwolken donnerten in einiger Entfernung am Himmel wie die Trommeln von Burundi. Eine Brise wehte den süßen Geruch nach gärenden Bananen aus einem verborgenen Maischetopf herüber.
    Sie tauchte in Sams dunklen Blick ein, in seine unendlichen Tiefen, in diese Augen, immer tiefer.
    Sam sprach laut und deutlich: »Ich mache ein Angebot für … Sarah Pollard.«
    Die Frauen kreischten auf und klatschten in die Hände, die Kinder lachten, und plötzlich war alles in Bewegung. Alle tanzten, klatschten und stampften mit den Füßen im Kreis. Alle bis auf Sarah und Dr. Mwami und Sam – drei unbewegliche Figuren mitten im Tumult. Sam blickte Sarah unverwandt an, die Hände in den Hosentaschen zu Fäusten geballt, während ihr das Herz bis zum Hals schlug.
    »Eine Kuh?«, sagte Dr. Mwami plötzlich. »Vier stinkende Ziegen? Was soll ich mit den Viechern anfangen, Samuel Tremayne?«
    Die Rufe der Menge erstarben abrupt. Die Frauen verstummten und beobachteten Dr. Mwami aus großen, ungläubigen Augen.
    »Du hättest Spritzen mitbringen können«, fuhr der Arzt fort, »Alkohol, Jod, Verbandsmaterial, Salztabletten, Antibiotika – und du wagst es und kommst mit Tieren daher? Mit Tieren!«
    Sam deutete auf den Jeep. »Da ist noch mehr.«
    »Na, hoffentlich!« Knurrend ging Dr. Mwami zu dem Wagen und riss eine verdreckte Tür auf, hinter der ein Stapel Kartons zum Vorschein kam. Er tastete die Taschen seines Kittels nach seiner Lesebrille ab, doch Sarah sah nicht mehr, ob er sie fand, denn währenddessen setzte Sam sich in Bewegung und baute sich vor ihr
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