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In guten wie in toten Tagen

In guten wie in toten Tagen

Titel: In guten wie in toten Tagen
Autoren: Gina Meyer
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für fünfzig Euro den kompletten Hühnerhof gekauft hatten. Inklusive Bauchladen.
    »Skål.« May zündete sich eine Zigarette an. »Apropos: Gibt’s heute Abend eigentlich auch für uns noch was zu trinken?«
    Helena wedelte mit dem frisch verdienten Fünfzig-Euro-Schein. »Den hauen wir jetzt zusammen auf den Kopf. Ich lad euch ins Extra Dry ein.«
    »Aber vor dem Vergnügen kommt noch eine Herausforderung«, sagte Julia. »Bevor du ins Extra Dry darfst, musst du erst zwei Herren finden, die dich dort hintragen.«
     Inzwischen war die Fußgängerzone jedoch wie ausgestorben, außer ein paar Punks, die in einer Ladenpassage hockten und kifften, war niemand mehr zu sehen. »Frag die doch. Für ’n Zehner packen die gerne an«, meinte May.
    »Du spinnst wohl. Ich lass mich doch von denen nicht anfassen«, sagte Helena.
    »Aufgabe ist Aufgabe. Mit Vergnügen hat das nichts zu tun.«
    »Wir gehen erst mal in die Disco«, sagte Helena. »Und dann such ich jemand, der mich wieder rausträgt.«
    May öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber Julia war schneller. »Für mich ist das okay. Kommt, Mädels.«
    Im Extra Drytrafen sie einen Ehemaligen aus Helenas Stufe mit seiner Freundin, die Helena zur Feier des Tages gleich auf ein Bier einlud. Aus riesigen Boxen unter der Decke wummerte House. Obwohl es erst kurz nach zehn war, traten sich die Leute auf der Tanzfläche bereits auf die Füße.
    »Du bist die Erste von uns, die heiratet«, brüllte der Klassenkamerad über das Tosen, Peitschen, Hämmern der Musik. Er sah aus wie ein Bodybuilder, mit breiten Schultern und unglaublich muskulösen Oberarmen. »Hätt ich nicht gedacht.« Er nahm einen Schluck Bier aus seiner Pulle und nickte anerkennend.
    »Was hättste nicht gedacht?«, schrie Helena zurück. »Dass mich einer nimmt?«
    Ihre Freundinnen kicherten.
    »Na, du und der Schenker«, rief seine Freundin, eine üppige Blondine in engen Jeans, die auch auf ihrer Schule gewesen war. Cara versuchte vergeblich, sich an ihren Namen zu erinnern.
    »Gehörst du auch zu seinem Fanclub?«, fragte Julia.
    »Ich?« Die junge Frau verzog das Gesicht.
    »Quatsch! Mareike hat doch mich!« Mit der Rechten hob ihr Freund sein Bierglas an die Lippen, mit der Linken griff er nach seiner Freundin. Ärgerlich machte sie sich von ihm los.
    »Den Schenker hätt ich nicht mal mit der Kneifzange angefasst«, brüllte sie.
    »Er dich auch nicht«, schrie May zurück. »Er steht nicht so auf Wurst.«
    Mareike verzog keine Miene. »Dafür steht er auf kleine Nutten, über die jeder andere schon mal drübergerutscht ist.«
    »Schluss jetzt. Sag mal, spinnst du?«, rief ihr Freund empört. »Helena hat uns eingeladen, schon vergessen? Reiß dich zusammen.«
    »Lass mal, Kai. Ist schon gut.« Helenas Stimme zitterte vor Wut. »Schönen Abend noch.« Sie schnappte ihre Bierflasche und verzog sich. Die anderen folgten ihr, ohne sich zu verabschieden, nur May blieb stehen.
    Cara, die sich bereits ein Stück entfernt hatte, hielt ebenfalls inne, weil sie hören wollte, was May sagte.
    Die Musik dröhnte, love me love me love me!, heulte eine Frauenstimme oder vielleicht sang sie auch fuck me fuck me fuck me . Der Wortwechsel zwischen May und der Blonden ging im Jaulen des Synthesizers unter, Cara sah nur, wie sich Mays und Mareikes Lippen bewegten, sah ihre wütenden Gesichter und wie Kai die Hand auf den Arm seiner Freundin legte, als wollte er sie davon abhalten, auf May loszugehen.
    Dann dampfte May ab und Kai ging ebenfalls, er ließ sein Bier und Mareike einfach stehen. Wupwupwup applaudierte die Drum Machine. Mareikes Gesicht war knallrot.
    Cara wollte auf dem kürzesten Weg zu Helena und drängte sich über die Tanzfläche durch die zuckenden, zappelnden Leiber, an stampfenden Füßen, an rudernden Armen, an grinsenden Gesichtern vorbei, und kam bis zur Mitte und blieb stecken.
    Neben ihr stach ein Typ mit den Zeigefingern zur Decke, als wollte er Cara auf etwas aufmerksam machen. Eine Frau lachte schrill, Cara kämpfte sich weiter und schaufelte die Tanzenden zur Seite.
    »Ey, Cara!« Jemand packte sie an der Schulter. Sie fuhr herum, da stand Vitali.
    »Bist du auch hier?«, rief er. Die blödeste aller blöden Fragen.
    »Nee!«, schrie Cara. »Siehst du doch.«
    Er lachte. »Komm tanzen«, brüllte er dann und wies einladend auf die Tanzfläche, als ob sie ihm gehörte, als ob er die ganze Disco nur für Cara gepachtet hätte.
    Sie blickte sich um und sah Helena, die am Rand der
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