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In guten wie in toten Tagen

In guten wie in toten Tagen

Titel: In guten wie in toten Tagen
Autoren: Gina Meyer
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musste her und auch die war im Handumdrehen ausgetrunken. Zum Glück hatte ihre Mutter übers Wochenende das Feld geräumt und war zu ihrer Schwester nach Braunschweig gefahren. Die Wohnung gehörte Helena und Cara.
    »Auf Cara!«, rief Helena und schwenkte ihr Glas. »Sie hat wie eine Irre geschuftet, um die Party vorzubereiten.«
    »Cheers!« »CinCin!« »Prost!«
    Und wieder eine neue Runde. Vielleicht war es gut, wenn sie alle so viel tranken, die Hühneridee war im nüchternen Zustand kaum zu ertragen. Cara füllte die Gläser zur Hälfte mit Aperol, schüttete Prosecco auf und ließ das Soda-Wasser weg. Wasser konnten sie morgen trinken, wenn sie alle einen Kater hatten.
    »Raus mit der Sprache, Cara!«, flötete May. »Was hast du geplant?«
    Nun richteten sich sechs Augenpaare auf Cara. Sie schwitzte. »Ich … äh … wir fangen im Wohnzimmer an. Vielleicht geht ihr alle mal rüber.«
    Sie hatte Hühnergirlanden aus Pappe und Federn gebastelt und unter die Decke gehängt. Am Fenster hing ein Mobile mit gelben Küken und auf dem Esstisch thronte das Keramikei, das Cara mit Hühnerbildern beklebt hatte. »Das ist ja …«, begann May, und Cara überlegte einen Moment, ob sie einfach die Flucht ergreifen sollte, aus der Wohnung und ins Auto und weg, nichts wie weg.
    Aber da war Helena, die sich auf sie verlassen hatte und die sich immer noch auf sie verließ, also ergab sich Cara in ihr Schicksal und klickte auf die Fernbedienung der Stereoanlage, und der Rest von Mays Satz ging in dem ohrenbetäubenden Gegacker unter, das nun aus den Boxen dröhnte. Zwei Minuten Gackern hatte Cara vorbereitet, erst dann setzte die Musik ein.
    Zwei Minuten waren eine Ewigkeit. Das wurde ihr bewusst, als sie die verständnislosen Gesichter sah. Das höfliche Grinsen, das Helenas Freundinnen aufgelegt hatten. Und Helena selbst … sie wagte ihre Schwester gar nicht anzublicken. Helena würde Cara verfluchen, sie würde sich selbst verfluchen, dass sie ihr die Planung des Junggesellenabschieds anvertraut hatte. Das werden wir nie vergessen.
    Verdammt, dachte Cara. Verdammt, verdammt, verdammt.
    Jetzt war wenigstens das Gegacker zu Ende. Und P. Diddy setzte mit »Cheeky Chicks« ein. Mit zitternden Fingern griff Cara zu ihrem Mikrofon, um den Begrüßungstext zu sprechen, den sie auswendig gelernt hatte.
    »Okay, Ladys«, begann sie. »It’s Helena’s night tonight.« Auch ihre Stimme zitterte, am liebsten hätte sie das Mikro weggelegt und wäre unter den Tisch gekrochen oder hätte sich hinter dem Vorhang versteckt oder im Bad eingeschlossen. Bis alles vorbei war.
    Das werden wir nie vergessen.
    Ihre Augen flogen von May zu Julia zu Viola zu Jacky zu Ronja zu Helena. Und wollten gar nicht innehalten, wollten rasch weiter, aber das war nicht nötig. Denn Helena lächelte.
    Sie lächelte nicht nur, sie strahlte geradezu. Strahlte Cara an.
    Cara kippte fast um. Vor Erleichterung. Und vor Stolz.
    »Helenas Hen-Night, wie die Amerikaner den Junggesellinnenabschied nennen«, fuhr sie fort und ihre Stimme klang auf einmal viel sicherer. »Isy kann ja heute leider nicht dabei sein, aber wir feiern trotzdem auf Amerikanisch. Helena ist das Huhn der Nacht. Und wir sind ihre Chicken! Auf Helenas letzte Woche der Freiheit!« Jetzt holte sie den Champagner aus dem Sektkühler vom Tisch, der Korken knallte, als wäre er genauso erleichtert wie Cara. Sie schenkte ein und die Freundinnen prosteten sich zu und ließen Helena hochleben. »Das ist so cool«, hörte Cara Helena rufen und dann kippten sie den Champagner genauso hinunter wie vorher den Aperol. Und Helena umarmte Cara.
    »Super Idee, little chicken!«, hörte Cara ihre Stimme an ihrem Ohr.
    Cara nippte nur an ihrem Glas. Ihr war total schwindlig, dabei hatte sie im Gegensatz zu den anderen so gut wie nichts getrunken. Helena fand ihre Idee super. Helena war begeistert.
    Sie hob ab. Sie flog.
    Während sie sich umzogen, tranken sie kontinuierlich weiter. Und redeten und tanzten und lachten und tratschten über alte Zeiten und ehemalige Freunde und Klassenfahrten und die erste Liebe und den ersten Kuss. »Bei mir war’s Daniel Gerstenberg.« May rümpfte die Nase. »Könnt ihr euch das vorstellen? Ich hab mit Daniel Gerstenberg geknutscht!«
    »Wann war das denn?«, fragte Helena. »In diesem Jahr oder im letzten?«
    »Als ich dreizehn war. Ich hab Jahre gebraucht, um darüber wegzukommen. Bah!«
    »Jahre? Du hattest doch immer einen Freund nach dem anderen.« Ronja zog das
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