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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen
Autoren: Susanne Hanika
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Troidl der Massenmörder, der jetzt gleich die Bet und mich umbringen würde, um uns dann gemeinsam unter seinen Planen zu verstecken?
    Erst als in meinem Knöchel der Schmerz wild pochte, verstand ich, dass ich tatsächlich den Troidl dabei beobachtete, wie er die Bet entwaffnete.
    Wir saßen dicht gedrängt in unserer Kirche. Sogar die ganzen Ketzer kamen am 24. Dezember in die Kirche.
    »Die greißlichen Krippln, die greißlichen«, hatte Großmutter so laut gesagt, dass ich versuchte, mich unsichtbar zu machen. Des ganze Jahr ned in die Kirch gehn, aber wenn hinterher Bescherung is, dann kriegst kein Sitzplatz ned.
    Das war jetzt etwas übertrieben, weil wir schon stundenlang in der Kirche ausharrten – so kam es mir jedenfalls vor – und natürlich einen Sitzplatz hatten, im Gegensatz zu den ganzen Ungläubigen, die erst kurz vor Beginn des Gottesdienstes hereinrumpelten.
    »Und auf unserem Friedhof wollen s’ auch alle beerdigt werden«, hatte sie noch hinterhergelegt. Ich wurde nur ein klein bisschen rot und schob mich tiefer in meinen dicken Schal.
    Der Christbaum sah aus wie immer. Geschmückt mit den Strohsternen von der Bet, der Rosl und der Kathl. »Das dauert«, hatte mir mal die Bet anvertraut. »Ich sitze nächtelang, um ähnliche Strohhalme zu finden. Die müssen gleich dick und gleich lang sein. Und dann muss man’s natürlich in den Fingern haben.«
    Jedes Jahr stellte ich mir vor, ein Wirbelsturm würde in die Fichte fahren und alle Strohsterne ins Universum blasen.
    »Den Baum ham s’ wieder vom Metzger«, sagte Großmutter wieder viel zu laut. »Dem greißlichen Ketzer, dem greißlichen. Nur weil s’ ihn umsonst haben können. Dabei will er nur, dass man ihm die faden Wiener abkauft.«
    Mein Gesichtston wurde noch etwas röter. Immerhin wusste ich jetzt, was der Metzger damals in der Kirche verloren hatte. Er hatte wie jedes Jahr den Christbaumständer geholt, um den Baumstamm dann genau so zuzuschneiden, dass er nicht während des Gottesdienstes umkippte. Auch wenn er nur an Weihnachten in die Kirche ging und vermutlich auch nur auf Druck seiner Ehegattin, war er da sehr verantwortungsbewusst. Ich streckte vorsichtig meinen bandagierten Fuß über die Fußbank und versuchte nirgends anzustoßen.
    Max hatte gesagt, dass ich mir die Sache mit der Bet wirklich hätte sparen können. Sie hatten Großmutter nur noch einmal befragt, um den Verdacht gegen die Bet zu erhärten. Und noch einmal die Aussage von der Langsdorferin »durchzuchecken«. Denn kaum hatte ich derangiert zwischen den Kohlgewächsen gelegen, war auch schon der Schorsch mit vollem Karacho im Dienstwagen angerauscht gekommen. Dicht gefolgt von Max und Blomberg im daytonagrauen Audi. Und ich hatte mich wieder mal großartig blamiert. Denn während der Blomberg die Bet verhaftete, hatte Max mich unrühmlich heulend zwischen den Rosenkohlstrünken hervorgezogen, wo ich g’strecktalängs lag. Ich wollte lieber nicht wissen, was sich der Blomberg über Max’ Freundin nach diesen Ermittlungen dachte.
    Auf Max allerdings war ich nach dem ersten Freudentaumel ziemlich sauer. Denn wenn ich nicht unglaublich blöd vor Bets Gartentür geparkt hätte, weswegen der Troidl mit seinem Traktor nicht an meinem Auto vorbeifahren konnte, hätte mich weder der Troidl im Garten gesucht und gerettet, noch hätte das Max rechtzeitig geschafft. Und wenn mir Max vorher gesagt hätte, dass sie nur die Aussage von der Bet überprüfen wollten, dann wäre der ganze Schlamassel sowieso nicht passiert. Denn ich wäre niemals im Dorf herumgefahren, sondern hätte entspannt ferngesehen, solange Großmutter anderweitig beschäftigt war. Das hatte ich ihm auch ziemlich lautstark ins Gesicht geschrien, nachdem ich mich nicht mehr in akuter Lebensgefahr befand. Bloß weil er so bescheuert und geheimniskrämerisch sein musste, wäre ich fast abgestochen worden. Das sollte ihm doch jetzt endgültig eine Lehre sein. Fand ich jedenfalls.
    Er hatte mir nicht widersprochen. Aber ich hatte die Befürchtung, dass es ihm keine wirkliche Lehre war. Ich musste wirklich demnächst einmal seine Eltern kennenlernen. Um zu sehen, ob sein Vater mit seiner Mutter auch so mies umging wie er mit mir.
    »Eigentlich is des nicht richtig«, sagte Großmutter, »die Sterne von der Bet, die müssen weg.«
    »Wie schaut denn des aus . . .«, zischte die Kathl ihr über die Schulter zu. »Dann is der halbe Baum nackert.«
    »Weilst auch keine Strohsterne mehr basteln wolltst«, giftete
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