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In Ewigkeit, Amen

In Ewigkeit, Amen

Titel: In Ewigkeit, Amen
Autoren: Susanne Hanika
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ausg’schamten Bixn, gehst du aufs Dach! Hast ihr damals des Kind g’macht, oder wieso machst des?« Damals hatte ich das nicht richtig verstanden.
    Des Kind g’macht? Das gemachte Kind stand dabei neben ihr und machte sich fast in die Hose, weil Bet so zornig war. Und dann war sie auch aufs Dach geklettert. Damals dachte ich, um die Katze eher zu erwischen. Oder weil sie den Pudschek zur Aufgabe seines Vorhabens zwingen wollte. Oder weil sie sich beweisen wollte, dass auch sie in der Lage war, bei Windstärke zehn auf Wilds Dach herumzuspazieren. Was hatte sie da wirklich getrieben?
    Wenn ich damals nicht so feige gewesen wäre und die Augen zugekniffen hätte, dann wüsste ich es. Aber ich war schon immer ein Kind, das sich vor allem gruselte. Und so hörte ich nur die Mini-Bisonherde trampeln, den Orkan Atem holen und ein gewaltiges Konzert in Moll blasen. Und die Bet. Die hörte ich auch. Vom Pudschek hörte ich nichts mehr, nur die Bet, die am Dach weiter keifte und schrie. Es hörte sich an, als hätte sie die Worte schon tausendmal zu Hause geübt. Als wäre das ein Theaterstück, die Premiere, nach wochenlanger harter Arbeit im stillen Kämmerlein.
    »Hätt ich nur den damischen Metzger g’heirat’!«, hatte sie abschließend gebrüllt.
    Und dann war es still geworden. Selbst der Orkan hatte erschrocken auf das Scheppern der Dachziegeln gelauscht, die bei uns auf den gepflasterten Weg gefallen waren. Ich hatte meine Augen so fest zusammengepresst, dass ich lauter bunt schillernde Ringe sah, in einem schwarzen unendlichen All. Diese Ringe sah ich auch noch, als ich endlich die Augen öffnete. Aber da war der Pudschek schon nicht mehr auf dem Dach, und die Bet stand starr, als würde sie auf etwas warten.
    Mein Erinnerungsfilm lief mit überhöhter Geschwindigkeit weiter, als hätte meine Angst ein Video auf Schnellvorlauf gestellt. Die Bet war die Treppe nach unten gerannt. Und ich hatte mich so auf unserem Dachboden gegruselt, dass ich auch hinuntergelaufen war, immer ihr nach, obwohl ich nur von ihr weg wollte. Sie war polternd durch den Hausflur zur Tür gelaufen. Dann hatte der Sturm ihr die Haustür aus der Hand gerissen, die Tür war gegen die Wand gerummst und das Marienbildchen neben dem Weihwasserkessel war auf die Erde gefallen.
    Ich hatte damals nur noch zu Großmutter gewollt. Sie stand auf unserem Gartenweg, hatte mich erst überhaupt nicht beachtet. Der Sturm riss an uns, an meinen Haaren, an Rosis Kopftuch, an Großmutters Rock. Die Rosl hatte sich die Hand vor den Mund geschlagen, der Wanninger schaute uns erschrocken an. Schaute mich an, oder auch hinter mich. Dort, wo die Bet stand. Und dann hatte Großmutter gesagt: »Geh, Mädl, geh rein und mach die Haustür zu.«
    Das hatte ich dann gemacht. Ich hatte das Marienbildchen aufgehoben, mit dem zerbrochenen Rahmen, und war in die Küche gegangen.
    Die Bet blickte mich an, als hätte sie begriffen, dass mir alles wieder eingefallen war. Ihre Augen wurden etwas dunkler. Großmutter würde sagen, das ist der Blick auf die schwarze Seele.
    Wie konnte jemand, der so gut war, so eine schwarze Seele haben, kam mir unnützerweise in den Sinn. Bets Blick huschte kurz zu dem riesigen Küchenmesser, das sie in der Hand trug.
    Ich hatte plötzlich das Bedürfnis, meine Augen fest zusammenzupressen, um farbige Ringe zu sehen.
    Jetzt verstand ich Großmutter. Sie hatte schon damals heimlich zur Kathl gesagt, dass die Bet wie der Teifel vom Dreiwegener Kreuz ausgesehen hätte, als sie von unserem Dach heruntergekommen war. Die Kathl hatte gemeint, dass habe bestimmt daran gelegen, dass es kein Zuckerlecken sei, dem Pudschek beim Abstürzen zuzusehen. Aber ich wusste genau, dass der Satan nicht aussah, als wäre das kein Zuckerlecken. Der sah aus, als wäre er wahrhaft böse. Nur der Engel darüber. Der sah aus, als sei er gut, obwohl er böse war.
    Und dann ging die Mär, der Pudschek sei noch einmal aufgestanden, habe die Bet gesehen und sei dann tot umgefallen. Vor Schreck sozusagen. Wenn ich mir die Bet so mit Messer ansah, dann war das Totumfallen vermutlich der einfachere Tod.
    »Der Pudschek ist nicht mein Vater«, sagte ich zu ihr, um meine Lage weniger dramatisch zu machen.
    Sie sah mich nur böse an.
    »Der Wanninger ist auch nicht mein Vater«, erklärte ich ihr weiter, während ich mir überlegte, wer schneller war. Ich in meinen Winterstiefeln, mit wackeligen Knien. Oder die Bet, mit dem Mut der Verzweifelten.
    »Den Metzger hätt ich
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