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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht
Autoren: Polina Daschkowa
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Aberglaube, die Batterie war einfach leer. Aber warum ausgerechent um halb elf, zwei Minuten nachdem sie aus meinem Auto gestiegen ist?«
    Ein Telefonklingeln übertönte die Alarmanlage des Wagens.
    »Hör mal, das ist doch verrückt!«, murmelte Sawidow verwirrt.»Kuck noch mal auf das Kennzeichen, vielleicht hast du dich geirrt?«
    Solowjow wiederholte die Autonummer.
    »O nein!« Sawidow stöhnte. »Stimmt genau. Das ist der Wagen von Kirill Guschtschenko. Vielleicht bloßer Zufall, oder? Vielleicht ist der Wagen gestohlen?«
    »Sei so gut und überprüfe noch was – er muss einen zweiten Wagen haben, Skoda oder Opel. Und dann übermittle die Information sofort an die Abfangposten, aber hinterm Stadtring, auf der Wolokolamka und der Leningradka. Da gibt es mehrere Umfahrungen.«
    »Meinst du wirklich, er fährt mit ihr in dieses Dawydowo?«
    »Schick Anton zu Lobow. Der Alte soll ihm auf der Karte die Stellen zeigen, wo Moloch die blinden Kinder getötet hat.«
     
    Der Regen strömte über die Scheiben und trommelte aufs Dach. Moloch bog von der Straße ab und fuhr auf Nebenwegen weiter.
    »Wachen Sie auf, Kirill! Er wird Sie verschlingen, er hat die Kinder getötet, nicht Sie. Er ist ein Moloch, er belügt Sie, Kirill, Sie sind krank, ich kann Ihnen helfen, das wissen Sie, nichts ist unumkehrbar.« Olga bemühte sich, möglichst ruhig zu sprechen, trotzdem zitterte ihre Stimme.
    Sie wiederholte seinen Namen. Er hatte noch nicht die Fähigkeit eingebüßt, sich selbst zu widerstehen. Sein reales Ich existierte noch, sonst hätte er sich nicht so mühelos anpassen, sich so exzellent verstellen können. Olga versuchte, die Kapsel des Wahns zu durchbrechen, aber bislang ohne Erfolg.
    »Ich spreche nicht mit dem Wandling, ich wende mich an den Engel. Weine nicht, hab keine Angst, es dauert nicht mehr lange. Ich lasse dich nicht ersticken. Ich werde dich retten.«
    »Kirill, ich würde schrecklich gern eine rauchen. Lassen Sie uns anhalten. Heute war ein verrücker Tag. Der Pornograph wurde auf meiner Station ermordet, im Flur. In derFernsehecke der Patienten, erinnern Sie sich? Der Killer ist in aller Ruhe rein- und rausmarschiert. Keiner hat ihn bemerkt. Und dann hat er auch noch die Pistole unter eine Bank geworfen, und ein Junge hat sie aufgehoben. Ich habe Ihnen von ihm erzählt. Marik, fast noch ein Kind, gerade achtzehn. Er hätte sich beinahe in den Kopf geschossen. Kirill, kommen Sie zurück, reden Sie mit mir.«
    Das Auto machte einen Satz. Ganz in der Nähe pfiff eine Lokomotive, und ein Zug ratterte vorbei. Die Scheiben waren beschlagen, Olga sah nicht, wohin sie fuhren, begriff aber, dass sie eine Bahnlinie überquert hatten.
    »Gib dir keine Mühe, Olga«, sagte eine vertraute, lebendige Stimme, »das ist sinnlos.«
    »Kirill, mein Lieber, Gott sei Dank, Sie haben es geschafft, ich wusste es.«
    »Hast du gehört, was ich gesagt habe? Gib dir keine Mühe. Ich werde dich auf jeden Fall töten.«
     
    Solowjow war nie in Dawydowo gewesen. Als er die Wolokolamka entlangfuhr, rief Lobow an und sagte, kurz hinter dem Denkmal für die Verteidiger Moskaus gebe es eine unauffällige Abzweigung nach links, eine miserable Straße, aber der kürzeste Weg.
    »Gleich hinter der Bahnlinie biegst du rechts ab, passierst zwei Datschasiedlungen und stößt direkt auf einen Kiefernwald. Dahinter liegt der See.«
    Lobow rief aus dem Auto an. Er begleitete die Einsatzgruppe.
    Die Scheibenwischer bewältigten die Wassermassen kaum. Solowjow näherte sich einer Bahnstation. Die Schranke senkte sich langsam, die Glocke klingelte schrill. Ein riesiger, schwerer Güterzug näherte sich. Die Räder ratterten, die Gleise bebten. Solche Züge brauchten immer unendlich lange. Das könnte an die zwanzig Minuten kosten. Durch den dichten Regenschleier sah Solowjow die roten Rücklichtereines Wagens leuchten. Er gab Gas und schlüpfte vor dem Zug durch. Der Lokführer schickte ihm einen empörten Pfiff nach.
    Rechts war Wald, links erstreckten sich die Zäune der Sommergrundstücke. Lobow hatte gesagt, zum See, zu der Stelle, wo Moloch die Kinder getötet hatte, komme man nur zu Fuß, durch den Wald.
    Er hatte auch die zweite Siedlung passiert. Er war den roten Rücklichtern immer näher gekommen, bis sie plötzlich verschwanden. Der Weg endete vor einer Reihe dunkler Kiefern. Das einzige Geräusch, das Solowjow hörte, war das Rauschen des Regens.
     
    »Du bist wirklich die Beste aus meinem Stall, Olga. Aber bilde dir nichts darauf
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