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In einer Winternacht

In einer Winternacht

Titel: In einer Winternacht
Autoren: Mary Higgins Clark
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antwortete das kleine Mädchen. Tränen liefen ihr die Wangen hinab.
»Ach, Stellina, bambina, wenn ich das nur noch erleben könnte. Ja, nimm den Kelch, aber gibt acht, daß Daddy es nicht merkt. Vielleicht verbietet er es dir.«
»Oh, Nonna, danke. Morgen besuche ich dich im Krankenhaus. Ehrenwort.«
Kurz darauf fuhr der Krankenwagen mit heulender Sirene davon.
»Star, wir müssen uns beeilen«, drängte Lenny, der jetzt hinterhergekommen war.
    Die Tagesstätte war festlich mit einem Weihnachtsbaum und geschmückten Tannenzweigen dekoriert. Am Wochenende hatten freiwillige Helfer am Ende des großen Raums im oberen Stockwerk ein Podium aufgebaut, das als Bühne dienen sollte. Zu beiden Seiten der Bühne hing ein alter Samtvorhang. Für das Publikum standen Klappstühle bereit. Nun strömten die gutgelaunten Zuschauer – Eltern, Geschwister und Freunde der mitwirkenden Kinder – herein.
    Alvirah war früher gekommen, um Cordelia und Maeve mit den Kostümen zu helfen. Nur durch finstere Drohungen gelang es Cordelia, die aufgeregten kleinen Schauspieler zu bändigen. Außerdem war Stellina noch nicht erschienen. Um zehn vor vier eilte sie in den Raum.
    Alvirah nahm sie bei der Hand. »Hat deine Nonna dich in deinem Kostüm gesehen?« fragte sie, als sie den blauen Schleier auf Stellinas goldenem Lockenkopf zurechtzupfte.
    »Nein. Man hat sie ins Krankenhaus gebracht«, erwiderte Stellina leise. »Daddy hat mir versprochen, daß wir sie dort besuchen. Wird sie wieder gesund, Mrs. Meehan?«
    »Ach, das hoffe ich, mein Kind. Aber wir werden uns um dich kümmern, während sie weg ist. Weißt du, welche Angst wir hatten, daß wir die Tagesstätte schließen müssen? Doch jetzt ist ein Wunder geschehen, und wir können weitermachen. Und das heißt, daß wir uns jeden Tag nach der Schule sehen.«
    Stellina lächelte wehmütig. »Das ist aber schön. Ich bin so gerne hier.«
»Und jetzt lauf und stell dich neben den heiligen Joseph. Soll ich deine Tüte halten?« Alvirah griff nach der Einkaufstüte aus Plastik, die Stellina umklammert hielt.
»Nein, danke. Ich muß meinen Kelch Rajid geben. Schwester Cordelia hat mir erlaubt, ihn mitzubringen. Danke, Mrs. Meehan.«
Als sie zu den anderen Kindern hinüberrannte, blickte Alvirah ihr nach. Was ist nur mit diesem Kind? fragte sie sich. Sie erinnert mich an jemanden, aber an wen? Sie ging an ihren Platz.
Die Lichter wurden gelöscht, das Krippenspiel begann. »Einfach großartig!« lautete das allgemeine Urteil, nachdem die letzten Töne von »Stille Nacht« verklungen waren und der Applaus einsetzte. Die Blitzlichter von Kameras leuchteten auf, denn die Eltern wollten diesen Moment unbedingt festhalten. Alvirah zupfte Schwester Maeve Marie am Ärmel. »Maeve, ich brauche eine Nahaufnahme von Stellina«, flüsterte sie. »Oder besser gleich mehrere.«
»Selbstverständlich, Alvirah«, sagte Maeve. »Sie ist eine wundervolle Maria. Als sie sang, sind mir richtig die Tränen gekommen. Sie hat soviel Gefühl in die Worte gelegt.«
»Stimmt. Das Kind ist wirklich musikalisch.«
Ein plötzlicher Verdacht wurde für Alvirah immer mehr zur Gewißheit, doch sie wagte noch nicht, es zu glauben. Wir könnten versuchen, die Geburtsurkunde des Mädchens einzusehen, überlegte sie. Mein Gott, kann das wahr sein?
»Hier habe ich ein paar gute Aufnahmen von ihr«, meinte Maeve kurz darauf und hielt Alvirah mit spitzen Fingern eines der Polaroids hin. »Wenn sie fertig entwickelt sind, werden sie noch klarer. Und hier ist noch ein hübsches von ihr und Rajid. Er gibt ihr gerade ihren silbernen Becher zurück.«
Ihren silbernen Becher? Nein, ihren Kelch! schoß es Alvirah durch den Kopf. Kann sein, daß du dich irrst, hielt sie sich vor Augen. Möglicherweise hast du dich in etwas hineingesteigert. Doch wenigstens eines konnte sie sofort nachprüfen. »Maeve, wenn Sie noch einen Film in der Kamera haben, machen Sie bitte ein paar Fotos von dem Kelch«, sagte sie. »Bitten Sie Stellina, ihn hochzuhalten.«
»Komm schon, Alvirah« rief Willy. »Du mußt mir helfen, die Geschenke an die Kinder zu verteilen.«
»Maeve, machen Sie die Fotos und heben Sie sie für mich auf«, meinte Alvirah. »Niemand sonst soll sie sehen.«
Sie eilte zu Willy hinüber. Die Geschenke lagen auf einem Tisch hinter ihr. »Gut, lieber Nikolaus, das hier ist für José«, verkündete sie fröhlich, während der kleine Junge aufgeregt die Hände ausstreckte.
Willy legte den Arm um ihn. »Warte, José. Schwester Maeve macht
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