Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einer Winternacht

In einer Winternacht

Titel: In einer Winternacht
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
noch ein Foto von uns.«
Alvirah brannte darauf, loszustürmen und ihrem Verdacht nachzugehen, aber es spielte zeitlich keine Rolle, ob sie die Geschenke selbst verteilte oder sich auf die Suche nach einer Vertretung machte.
In der Zwischenzeit waren Schwester Cordelia und ihre Helferinnen damit beschäftigt, Süßigkeiten und Limonade auszugeben. Einige Gäste waren schon im Gehen, und Alvirah stellte bedauernd fest, daß Mrs. Nuñez sich anschickte, sich mit Jerry und Stellina auf den Weg zu machen.
Sie rief Gracie zu sich. »Wohin bringen Sie Stellina?« fragte sie.
»Zuerst nach Hause«, erklärte Gracie. »Ihr Daddy liefert sie dann später bei mir ab, damit sie bei uns übernachtet. Er sagt, er will nach der Arbeit zuerst mit ihr essen gehen. Ich muß noch zu meiner Schwester, aber er hat mir versprochen, pünktlich zu sein. Die Kleine soll sich solange in der Wohnung einschließen, das kannst du doch, nicht wahr, Stellina?«
»Natürlich. Hoffentlich weiß er, wie es Nonna geht«, erwiderte Stellina ernst.
Zehn Minuten später waren alle Geschenke verteilt und alle Fotos gemacht. Alvirah eilte zu Schwester Maeve Marie, um die Fotos zu holen. Dann griff sie nach ihrem Mantel.
»Was ist los?« fragte Willy. Seine Stimme wurde durch den wolligen Nikolausbart gedämpft.
»Ich werde Monsignore Tom ein paar Fotos zeigen«, rief sie, während sie schon zur Tür rannte. »Wir treffen uns dort.«
    Der Monsignore war ausgegangen, wurde aber bald zurückerwartet. Ungeduldig lief Alvirah im Wohnzimmer des Pfarrhauses auf und ab. Nach einer halben Stunde trafen Willy und der Monsignore gemeinsam ein. Der Monsignore lächelte. »Was für eine nette Überraschung, Alvirah«, sagte er.
    Alvirah kam sofort auf den Punkt und reichte ihm die Fotos. »Monsignore Tom, sehen Sie sich das an.«
Er betrachtete das Foto, auf dem Stellina beim Krippenspiel den Kelch von Rajid entgegennahm. Dann musterte er die Nahaufnahmen von dem Kelch, die Schwester Maeve Marie gemacht hatte.
»Alvirah«, meinte er dann leise. »Ist Ihnen klar, was das darstellt?«
»Ich glaube, es handelt sich um Bischof Santoris Kelch. Und wissen Sie, wer das kleine Mädchen ist?«
Er schwieg abwartend.
»Meiner Ansicht nach war sie das Baby, das vor der Tür des Pfarrhauses ausgesetzt wurde, und zwar in derselben Nacht, in der jemand den Kelch gestohlen hat.«
    29

G
    racie Nuñez begleitete Stellina zur Tür der Wohnung, die sie mit Nonna und ihrem Daddy teilte. Fürsorglich wartete sie, bis das kleine Mädchen hineingegangen war und von innen abgeschlossen hatte. »Bis später, mein Kind!« verabschiedete sie sich. Sie war sicher, daß Stellina keinem Fremden aufmachen würde.
    In der Wohnung war es still und dunkel. Stellina bemerkte den Unterschied sofort. Ohne Nonna fühlte sie sich hier fremd und einsam. Sie schaltete alle Lichter ein, damit die Wohnung ein wenig freundlicher wirkte. Dann ging sie in Nonnas Zimmer, um das Marienkostüm auszuziehen, beschloß aber, es doch anzubehalten. Nonna hatte sie in dem Kostüm sehen wollen, und sie hoffte, ihr Daddy würde mit ihr ins Krankenhaus gehen.
    Stellina nahm den Kelch aus der Einkaufstüte und setzte sich auf die Bettkante. Sie fühlte sich weniger allein, wenn sie den Kelch in der Hand hielt. Noch nie war Nonna nicht dagewesen, wenn sie nach Hause kam.
    Um sieben hörte Stellina Schritte die Treppe hinaufpoltern. Bestimmt ist es nicht Daddy, dachte sie. Der rennt nie. Aber dann klopfte es laut an der Tür. »Star, mach auf! Mach auf!« rief ihr Daddy verzweifelt.
    Sobald Lenny das Schloß klicken hörte, drehte er den Knauf und stürmte in die Wohnung. Es war eine Falle gewesen, ein mieser Trick! Er hätte es wissen müssen, sagte er sich zornig. Dieser Neue in der Mannschaft war ein verdeckter Ermittler! Lenny hatte rasch Lunte gerochen und war nur mit knapper Not entkommen. Doch zweifellos wurde gerade die Stadt nach ihm durchkämmt, und ganz sicher würde man auch seine Wohnung überprüfen. Aber er hatte das Risiko eingehen müssen, noch einmal hierherzukommen – seine falschen Papiere und sein Geld befanden sich in der Tasche, die er am Nachmittag gepackt und hier deponiert hatte.
    Er stürzte in sein Zimmer und zerrte die Tasche unter dem Bett hervor. Stellina folgte ihm. Sie blieb auf der Schwelle stehen und beobachtete ihn. Als Lenny sich umdrehte, bemerkte er, daß sie den Kelch in der Hand hielt. Sehr gut, dachte er. Das Ding hätte er ohnehin verschwinden lassen wollen, je früher desto
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher