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In einer Familie

In einer Familie

Titel: In einer Familie
Autoren: Heinrich Mann
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Reise
    nach St. Petersburg (der Fünfzehnjährige korrigierte
    es stilistisch), dann waren viele kurze Geschichten,
    mehr als 200 Gedichte und kleine kritische Betrach-
    tungen gefolgt. Aber eigentlich freisetzen als Schrift-
    steller konnte sich Heinrich Mann erst nach dem
    Tod seines Vaters, des Lübecker Senators und Groß-
    kaufmanns Thomas Johann Heinrich Mann, 1891.
    Heinrich Mann schrieb »In einer Familie«, seinen
    ersten Roman, 1892/93, gleich nachdem er die vom
    Vater verordnete Buchhändlerlehre in Dresden und
    bei S. Fischer in Berlin abgebrochen hatte. Er konnte
    307
    nun der testamentarischen Verfügung des Vaters ent-
    gehen, der »eine praktische Erziehung« seiner Kinder
    gewünscht und die »Vormünder« angewiesen hatte:
    »Soweit sie es können, ist den Neigungen meines
    ältesten Sohnes zu einer s. g. literarischen Thätigkeit
    entgegenzutreten.« Als »In einer Familie« – begon-
    nen in einem Schwarzwälder Sanatorium, fortge-
    führt in Lausanne, Lübeck, München und abermals
    in einem Lungensanatorium, überarbeitet in Florenz
    1893/94 – abgeschlossen war, übernahm die Mutter
    die Finanzierung des Erstlings. »Meine Mutter zahl-
    te fünfhundert Mark dem Verleger, den das Buch
    höchstens zweihundert gekostet haben kann.« (An
    K. Lemke, 29. 1. 1947) Julia Mann hatte sich nach der
    Liquidation der Firma Joh. Siegmund Mann von
    Lübeck nach München abgesetzt und lebte dort in
    der gehobenen Schwabinger Bohème. Mit der Un-
    terstützung von Heinrich Manns literarischen An-
    fängen handelte sie dem Willen ihres Mannes ent-
    gegen. Die widersprüchliche Haltung der Eltern zu
    Neigung, Talent und Begabung ihres Ältesten hat
    diesen belastet, und wahrscheinlich war sie es, die
    den Lungenblutsturz auslöste, an dem Heinrich
    Mann damals laborierte und von dem er während der
    Vollendung von »In einer Familie« genas. Man ist
    entfernt an den medizinisch ganz ähnlichen Kol aps
    des Studenten Goethe in Leipzig gemahnt …
    Heinrich Manns Mutter ist es denn auch, nach der
    die zentrale Frauenfigur des Romans, Dora von
    308
    Grubeck, gestaltet ist. Sie ist eine nervöse Femme
    fatale, wie die Jahrhundertwende einen gewissen
    Frauentyp liebte. Und sie erscheint fünf, sechs Jahre
    bevor Thomas Mann sie zunächst in Novellen (»Der
    kleine Herr Friedemann«) und dann als die Mutter
    des Buddenbrook-Erben Hanno in Gerda, geb. Ar-
    noldsen, darstellt. Ihre irisierende Erscheinung
    wirkt bei Thomas Mann bis zur Gestalt der Sena-
    torin Rodde im »Doktor Faustus« fort. Doras Gatte,
    ein korrekter Major i. R. verweilt blaß im Hinter-
    grund. Die zweite Frauengestalt an der Seite des
    Helden in Heinrich Manns Roman bleibt großen-
    teils eine Gedankenkonstruktion, entworfen etwa
    nach der theoretischen Schrift August Bebels »Die
    Frau und der Sozialismus« (1883 – das meistgelesene
    sozialistische Buch in deutscher Sprache). Der Mann
    zwischen den beiden Frauen ist ein schwächlicher
    Held. Er heißt Wellkamp, er bricht am Elementaren
    wie der Kamm einer Welle und sehnt sich nach der
    »Hafenruhe« ehelichen Lebens. Er wird entwickelt
    zu einem Prototyp in Heinrich Manns Gesamtwerk:
    Andreas Zumsee im »Schlaraffenland«, Claude Ma-
    rehn in »Die Jagd nach Liebe«, der »Professor Un-
    rat«, Arnold Acton in »Zwischen den Rassen« und
    noch der schwache Diederich Heßling, der »Unter-
    tan«, werden als unterwürfige Liebhaber ihrer
    Frauen gezeichnet. Kurz: »In einer Familie«, der er-
    ste Roman Heinrich Manns, ist ein autobiographi-
    scher Roman, wie es sein letzter, »Der Atem«, auch
    309
    ist. Der spätere allgemeine Satz Heinrich Manns,
    wären die Menschen glücklich, gäbe es keine Litera-
    tur, muß von ihm früh empfunden, erlebt worden
    sein.
    Der Anfänger hat sich mit großer Bewußtheit
    nach Mustern umgesehen, die ihm bei der literari-
    schen Gestaltung helfen konnten. Aus der Fülle der
    Anregungen, die er genutzt hat, sind zwei Vorbilder
    herauszuheben: ein bel esprit der Moderne und ein
    Großer der Geistesgeschichte, Paul Bourget und
    Goethe. »In einer Familie« ist ausdrücklich (auch in
    der zweiten Auflage von 1898, dann nicht mehr)
    »Paul Bourget gewidmet« – den Nietzsche zu den
    »delikaten Psychologen im jetzigen Paris« zählte
    und dessen breiten Einfluß auf deutsche Dichter er
    gleich erkannte. Diese Widmung verstand die Lese-
    welt damals unmittelbar, auch in ihrem Bezug auf
    den Titel von Heinrich Manns Erstling. Bourgets
    kulturkritisches Denken, das
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