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In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall

In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall

Titel: In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
Autoren: Granger Ann
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dämmerte, dass die Buschtrommeln schneller gewesen waren als sie selbst.
    Um fair zu sein, er schien gewusst zu haben, worüber sie redete, und sein Preis war akzeptabel. Gleichzeitig dämmerte ihr schnell, dass es notwendig sein würde, von Anfang an genau festzulegen, was sie haben wollte, oder George würde bauen, was er als angemessen empfand, und nicht, was sie sich wünschte. Doch nun kamen ihr zum ersten Mal nagende Zweifel, was George Biddocks allgemeine Zuverlässigkeit betraf. Es war nett von George, eine alte Tante zu besuchen, kein Zweifel. Doch George war selbst schon jenseits der sechzig, und Meredith war nicht überrascht zu erfahren, dass seine Tante in den Neunzigern war. Auf der anderen Seite hoffte sie, dass die Tante sich nicht als eine Standardausrede für Zuspätkommen oder gänzliches Fernbleiben von der Arbeit erweisen würde.
    Doch jetzt war George erst einmal da, eine große, schlaksige Gestalt in einem alten Arbeitsanzug über einem ausgefransten gestrickten Pullover. Die Jackenärmel endeten ein gutes Stück oberhalb der Handgelenke, und seine gewaltigen knorrigen Hände baumelten linkisch an den Seiten herab. Auf dem kahl werdenden Kopf trug er eine schmierige Lederkappe. Hinter einem Ohr lugte ein Bleistiftstummel hervor, hinter dem anderen eine zerknitterte, ungerauchte Zigarette.

    »Dann lasse ich Sie jetzt mit der Arbeit allein«, sagte Meredith.
    »Ah«, sagte George abwesend. Soweit es Meredith betraf, war sie entlassen. Jetzt noch hier zu bleiben bedeutete, ihm im Weg zu stehen, das war der unausgesprochene Wink mit dem Zaunpfahl. Meredith setzte den Wagen rückwärts aus der Garage und machte Anstalten, zum Bahnhof zu fahren. Einem letzten Impuls folgend, ließ sie die Seitenscheibe herunter und rief:
    »Ich habe Ihnen doch meine Büronummer gegeben, oder? Sie können mich jederzeit anrufen, falls es ein Problem gibt.«
    »Bei so einer kleinen Geschichte wie der?«, entgegnete George.
    »Das ist ein Klacks. Fahren Sie nur. Doris Crouch hat mich sicher kommen sehen und den Wasserkessel schon aufgesetzt.« Du meine Güte. Meredith kurbelte das Fenster wieder hoch und schloss George und seine Arbeitspraxis damit aus. Sie hatte ihn mit dem Bau beauftragt, und sie konnte ihn jetzt nicht wieder feuern. Außerdem hatte sie keine Zeit mehr, mit ihm zu diskutieren. Wie die Sache lief, hatte ihre Verspätung ein unmittelbares Problem zur Folge. Der Parkplatz des Bahnhofs war voll. Sie musste auf einen holprigen, unbefestigten Grasplatz ganz am Ende weiterfahren und den Wagen dort abstellen. Rein technisch betrachtet gehörte der Grasplatz zum Gelände des Bahnhofsparkplatzes, auf dem ihr Parkschein gültig war, doch ihre Stimmung besserte sich nicht gerade, als sie die Beine aus dem Wagen schwang und merkte, wie ihre hohen Absätze im Dreck versanken. Vielleicht hatte der Auftrag an George, ein Vordach zu bauen, in Wirklichkeit weniger mit dem nassen Wetter zu tun, als mit der allgemeinen Stimmung, die in letzter Zeit in Meredith vorgeherrscht hatte. Es hatte alles mit Alan zu tun, was sonst. Alan und seinem Vorschlag zu heiraten. Dem Vorschlag, den sie abgelehnt hatte. Eine Ablehnung, die er im Gegenzug mit einer Art störrischer Gelassenheit akzeptiert hatte, als wäre er sicher, dass sie mit der Zeit ihre Meinung doch noch ändern würde. Was sie ganz bestimmt nicht tun würde, wie sie sich zahllose Male gesagt hatte, während sie im Zug gesessen oder unter der Dusche gestanden oder sich die Zähne geputzt hatte oder mit dem Abwasch oder Aufräumen oder anderen alltäglichen Dingen beschäftigt gewesen war. Genau genommen während jeder Aktivität, die einem Zeit zum Nachdenken und Sinnieren ließ. Diese Entschlossenheit hätte ihr eigentlich Seelenfrieden verschaffen müssen. Stattdessen jedoch hatte sie sich in einem Zustand größter Unzufriedenheit wiedergefunden. Sie gab seinem Verhalten die Schuld dafür, dass sie sich zugleich streitlustig und elend fühlte wie ein Wurm. Deswegen die Entscheidung, ihre Lebensverhältnisse ein wenig aufzupolieren. Das Vordach mit der kleinen Veranda war in dieser Hinsicht nicht die einzige Entscheidung, die sie getroffen hatte. Sie war viel zu nachlässig mit ihrer Kleidung geworden und mit ihrem allgemeinen Erscheinungsbild. Sie war nie ein Modepüppchen gewesen und würde es auch niemals werden, obwohl sie groß genug gewachsen war, um als professionelles Model zu arbeiten. Doch sie besaß nur ein Durchschnittsgesicht, wie man ihr während
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