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In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall

In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall

Titel: In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
Autoren: Granger Ann
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ihrer Kindheit immer und immer wieder gesagt hatte.
    »Was für ein Glück, dass Meredith Grips im Kopf hat!«, hatte Meredith zufällig die Worte einer freundlichen Tante aufgeschnappt.
    »Mit ihrem Gesicht jedenfalls wird sie die Welt nicht in Begeisterung versetzen.« Heute, im Erwachsenenalter, wusste Meredith, dass es sehr schwer war, mit einem Gesicht wie dem ihren irgendetwas in Begeisterung zu versetzen. Die Bemerkung hatte sie damals nicht sonderlich verletzt und hatte ihr auch später keine Sorge gemacht. Auf der anderen Seite hatte sie ihrem Spiegelbild im Schlafzimmerspiegel erst gestern noch gesagt, dass es keine Entschuldigung dafür war, durch die Gegend zu laufen und dabei, wie ihre Tante es ausgedrückt hätte, auszusehen, als wäre man rückwärts durch eine Hecke geschleift worden. Deswegen hatte Meredith am heutigen Morgen die zusätzliche Zeit des Wartens genutzt, um etwas für ihr Aussehen zu tun. Sie trug ein neues rostfarbenes Kostüm und hatte ihren braunen Pagenkopf sorgfältig gestylt. Die Schuhe waren ebenfalls recht neu, doch nun waren beide Absätze mit einem hohen braunen Schmutzrand verunziert. Es blieb keine Zeit mehr, um sie jetzt noch sauber zu wischen. Der Zug lief in den Bahnhof ein. Meredith verschloss den Wagen, raffte den engen Rock ein wenig und sprintete, die Aktentasche in einer Hand, mit trotz der Absätze bewundernswerter Geschwindigkeit über den Parkplatz zum Eingang des Bahnhofs. Sie drängte sich durch die Vorhalle und kam auf dem Bahnsteig an, als die Türen des Zugs zischend aufglitten. Sie stieg ein und ließ sich auf den nächstbesten freien Sitz fallen. Ein Vorteil des späteren Zuges bestand darin, dass nicht so viele Pendler unterwegs waren. Statt in einer schwitzenden, übellaunigen Menge eingekeilt zu stehen, hatte sie die freie Auswahl an Sitzplätzen in einem Waggon, in dem nur wenige andere Reisende waren. Ihr im Gang gegenüber saß ein Mann und las in seiner Zeitung, obwohl er sich die Zeit nahm, ausgiebig auf ihre Beine zu starren. Meredith zupfte ihren Rock so weit nach unten, wie es ging, was nicht sehr weit war. Zwei Frauen ein Stück weiter unterhielten sich angeregt. Ein Teenager, der Kopfhörer trug, zuckte und wackelte mit dem Kopf am Ende des Waggons und war unübersehbar in seiner eigenen Welt versunken. Meredith stellte ihre Aktentasche auf den Sitz neben sich und suchte in der Handtasche nach einem Papiertaschentuch, um ihre Schuhe zu reinigen. Die Zugtüren glitten zischend zusammen, und der Zug setzte sich langsam in Bewegung. Sie fuhren aus dem Bahnhof. Sie waren noch nicht weit gekommen und hatten noch kaum an Geschwindigkeit gewonnen, als er wieder langsamer wurde und schließlich stehen blieb. Meredith, einen Schuh in der einen und ein Papiertaschentuch in der anderen Hand, spähte neugierig aus dem Fenster. Sie standen kurz vor einem ausrangierten viktorianischen Viadukt von bescheidener Größe, umgeben von Waldland. Die Böschung erhob sich steil zu beiden Seiten der Gleise und war überwuchert mit Brennnesseln, schwarz vom Frost des Winters mit vereinzelten frischen, hellgrünen Trieben dazwischen. Meredith erblickte außerdem Brombeergestrüpp und junge Holunderbüsche, überwuchert von den nackten letztjährigen Zweigen von Schmetterlingssträuchern, jener Pflanze, die sich immer wieder an den unwahrscheinlichsten Nischen und Ecken findet und eine Vorliebe für Eisenbahngleise zu haben scheint, denn sie wächst häufig im schmalen Zwischenraum zwischen den parallelen Schienensträngen. Sie standen im ersten frischen Grün. Hinter dem Gestrüpp, weiter oben und zum Teil auch mittendrin standen dürre blattlose Bäume bis zum Rand der Böschung. Doch direkt vor Meredith … Ihr Herz machte einen verblüfften Sprung. Direkt gegenüber war ein großer grüner Frosch, der ihr feindselig in die Augen starrte. Hellgrün, smaragdfarben, mit vorstehenden schwarzen Augen und aus einem weichen Plüsch angefertigt, baumelte er vom untersten Zweig einer Birke, in der er sich offensichtlich mit einem Trageriemen verfangen hatte. Meredith erkannte, dass es einer von jenen gegenwärtig modernen Rucksäcken in Gestalt eines Comic-Tiers war. Was er dort zu suchen hatte, vermochte sie sich allerdings nicht vorzustellen. Er sah sauber aus, unbeschädigt, ja brandneu. Es war schon traurig, dass die Leute ihren Abfall wild in die Gegend warfen. Supermarkt-Einkaufswagen, alte Bettgestelle, die allgegenwärtigen schwarzen Plastikmülltüten – all das
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