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In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall

In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall

Titel: In dunkler Tiefe sollst du ruhn: Mitchell & Markbys zwölfter Fall
Autoren: Granger Ann
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fand sich heutzutage an den unmöglichsten Stellen. Doch diese groteske Kreatur, dieser Frosch mit dem Gesichtsausdruck, der sowohl amüsiert als auch ein klein wenig bedrohlich wirkte, das war einfach kein Abfall. Meredith runzelte die Stirn. Der Mann auf der anderen Seite des Gangs legte seine Zeitung zur Seite, als er sah, dass seine Mitreisende angestrengt durch das Fenster nach draußen starrte und beobachtete:
    »Sie arbeiten wahrscheinlich wieder an den neuen Gleisen. Gestern haben wir um die gleiche Zeit hier gestanden. Es wird nicht lange dauern; sie lassen uns bestimmt gleich weiterfahren.«
    »Ja«, antwortete Meredith geistesabwesend. An einem anderen Tag hätte sie sich vielleicht über die zusätzliche Verspätung aufgeregt, die ihren Tagesablauf noch weiter durcheinander bringen würde. Wenn das so weiterging, war sie erst zur Mittagszeit an ihrem Schreibtisch. Doch heute, abgelenkt vom glotzäugigen Starren des Frosches, schenkte sie den Worten des Mannes nur wenig Aufmerksamkeit. Er zuckte die Schultern, nahm sein Mobiltelefon hervor und begann, Gott und der Welt die Neuigkeiten von seiner Zwangslage im stehen gebliebenen Zug nach London zu verkünden.
    »Hallo, Roger? Ich werde ein wenig später kommen, der Zug …« Allmählich hatten sich Merediths Augen an das Zwielicht der im Schatten liegenden Böschung gewöhnt, und sie konnte mehr Einzelheiten im chaotisch wachsenden Wirrwarr aus Ästen und Zweigen unterscheiden. Weiter oben schien ein Pfad durch die Vegetation zu führen, obwohl Meredith sich nicht vorstellen konnte, wer um alles in der Welt sich hierher verirren sollte. Es sei denn natürlich, unerschrockene Brombeersammler hatten sich, angelockt von den Früchten, im letzten Herbst hierher durchgekämpft, unbeeindruckt von den vorbeidonnernden Zügen. Sie bemerkte eine plötzliche Bewegung und zuckte erschrocken zusammen, als sich ein großer dunkler Schatten vom Boden erhob, zwischen den Bäumen hindurch in die Höhe schwang und über das alte Viadukt davonflatterte. Sie versuchte ihre Nerven zu beruhigen. Sicherlich gab es entlang den Schienen eine Menge Abfälle für Aasfresser. Tote Vögel, Mäuse, die Reste der Beute, die ein Fuchs geschlagen hatte vielleicht. Nichtsdestotrotz verspürte Meredith, wie sich in ihr eine innere Unruhe regte. Es war dieser Frosch, es waren diese leblosen, glänzenden, vorstehenden Augen, die bizarre Natur dieses Dings, das am Birkenzweig vor ihr baumelte. Was zur Hölle hatte es hier überhaupt zu suchen? Sie presste die Nase gegen die Scheibe und funkelte den Rucksack wütend an.
    »Hallo, James? Ich stecke im Zug nach London fest …« Der Mann auf der anderen Seite des Gangs schien sich durch sein gesamtes Adressbuch arbeiten zu wollen. Meredith riss sich gewaltsam von dem grünen Frosch los und wandte sich wieder der Reinigung ihrer Schuhe zu. Sie erhob sich und ging zu einem Abfallbehälter, um die verschmutzten Taschentücher zu entsorgen. Als sie zu ihrem Platz zurückkehrte, störte der Mann mit dem Mobiltelefon die morgendliche Routine einer Person namens Cathy. Meredith richtete ihre Aufmerksamkeit erneut auf den Frosch. Just in diesem Augenblick setzte sich der Zug ruckelnd in Bewegung. Der Frosch geriet in den Luftzug und schwankte, was den Eindruck erweckte, als würde er Meredith zum Abschied mit den kurzen grünen Plüscharmen winken (oder mit den Vorderbeinen, wenn man pedantisch war).
    »Auf Wiedersehen auch dir«, murmelte Meredith geistesabwesend. Der Mann auf der anderen Seite steckte sein Mobiltelefon ein und warf einen flüchtigen Blick zu Meredith. Dann nahm er erneut seine Zeitung zur Hand und versenkte sich darin. Wenn man in England mit der Bahn unterwegs ist, dachte er wohl, dann trifft man eben hin und wieder ein paar schrullige Leute. Die junge Frau ihm gegenüber passte zwar nicht in das übliche Muster von schrulligen Fahrgästen, aber man konnte ja nie wissen. Langsam und schaukelnd fuhr der Zug über die Gleise, hinein in das hohe alte Viadukt, in die Dunkelheit und auf der anderen Seite wieder zurück in den Sonnenschein. Die Arbeiter in ihren fluoreszierenden, orangefarbenen Sicherheitsjacken traten von den Gleisen zurück und stützten sich auf ihre Hacken und Schaufeln. Sie betrachteten den vorbeifahrenden Zug ohne besonderes Interesse. Der Zug wurde schneller und schneller, und bald ratterten sie schwankend über die Schienen, als versuchte der Lokführer, einen Teil der verlorenen Zeit wieder wettzumachen. Der grüne
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