Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)

Titel: In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)
Autoren: Nicole C. Vosseler
Vom Netzwerk:
mir momentan zu schaffen macht?« Auffordernd hob Dr. Katz die Brauen. »Dass ich das Gefühl habe, das ist alles gar nicht wirklich passiert. Der Unfall schon, und auch dass Shane nicht mehr da ist. Aber alles andere, die Sache mit den Geistern und das mit Nathaniel. Als ob ich das nur geträumt hätte. Als ob es gar nicht real gewesen wäre.«
    Dr. Katz ließ den Kugelschreiber sinken und sah mich erstaunt an. »Muss es denn real gewesen sein?«
    Verständnislos glotzte ich sie an. »Wie meinen Sie das?«
    Sie hob die Schultern in ihrer tollen pinkfarbenen Seidenbluse. »Nun, wenn du es für dich als real erlebt hast, dann ist es auch wirklich passiert. Vollkommen unabhängig davon, ob es tatsächlich so war. Meinst du nicht? Wir sehen uns übermorgen wieder.«
    So schnell ich es mit meiner Krücke konnte, marschierte ich durch den Frühjahrsnebel die Powell Street hinauf, an dem dichten Verkehr und den bimmelnden und ratternden Cable Cars voller Touristen vorbei. Nächste Woche würde ich auch dieses mintgrüne Mistding endlich los sein, mit dem ich mein linkes Bein noch ein bisschen schonen sollte. Die Chirurgen im General Hospital und das Physio-Team im Saint Francis, wohin ich danach verlegt worden war, hatten wirklich ganze Arbeit geleistet, selbst meinem linken Arm merkte ich nur noch manchmal an, wie kompliziert er gebrochen gewesen war. Ich schmunzelte in mich hinein, als ich daran dachte, wie sich Gabi jedes Mal am Telefon genau beschreiben ließ, was Cindy, Hannah und Landon in der ambulanten Reha mit mir machten und mit welchen Fortschritten mein Körper darauf reagierte; sie schien es sehr zu bedauern, dass sie mich nicht selbst unter ihre Fittiche nehmen konnte, nachdem fast ihr ganzer Jahresurlaub schon dafür draufgegangen war, so schnell wie möglich hierherzufliegen und bei mir zu sein, als ich noch im Krankenhaus lag.
    Vor dem Eingang zu Starbucks schaute ich schnaufend auf meine Armbanduhr und stieß einen erstaunten Pfiff aus. Heute war ich wirklich schnell gewesen, viel schneller als ich einkalkuliert hatte; erst in einer halben Stunde war ich mit den anderen hier verabredet.
    Schwungvoll riss ich die Tür auf und stellte mich in die Schlange vor dem Tresen.
    »Hi, Sweetie!«, begrüßte mich Tammy mit dem blonden Pferdeschwanz, als ich an der Reihe war. »Geht’s dir gut? Du siehst heute fabelhaft aus! Caffè Latte Grande, wie immer?«
    Mit meinem Becher in der Hand steuerte ich durch den ziemlich vollen Starbucks das Fenster zur Sutter Street hin an, unter dem die hohen Barhocker standen; auf denen saß ich einfach lieber, weil ich da mein lädiertes Bein besser ausstrecken konnte. Ich lehnte die Krücke ans Fensterbrett, zog mir die Mütze vom Kopf und die Jacke aus und setzte mich auf dem Hocker zurecht, bevor ich den Deckel vom Becher pulte; inzwischen hatte ich kapiert, dass der kochend heiße Kaffee so schneller abkühlte. Mein Blick fiel auf mein Spiegelbild vor der Fassade des Marriott und auf ein paar Haarsträhnen, die sich aufgestellt hatten und die ich mir wieder zurechtzupfte.
    Damit ich mit Gipsarm und kaputtem Bein im Alltag besser zurechtkam, hatte Holly mir meine langen Haare abgeschnitten, und obwohl ich eingesehen hatte, dass es sinnvoll war, hatte ich geweint, als eine der langen Strähnen nach der anderen zu Boden fiel. Auch deshalb, weil Nathaniel meine Haare geliebt hatte und so gern mit seinen Händen hindurchgefahren war. Alte Zöpfe abschneiden , hatte Dr. Katz meine neue Frisur augenzwinkernd kommentiert. Mittlerweile mochte ich mich mit dem frechen Pixie-Cut; ich fand, ich sah damit erwachsener aus, und alle um mich herum sagten, dass er mehr von meinem hübschen Gesicht sehen ließ. Na ja.
    Ohne Holly wäre ich echt aufgeschmissen gewesen in den letzten Monaten. Ich hatte keine Ahnung, wie sie das mit ihrem Laden hingekriegt hatte, aber sie war morgens schon bei uns auf der Matte gestanden, um mir beim Waschen und Anziehen zu helfen, mir ein bisschen die Zeit zu vertreiben und abends dann wieder, um mich bettfertig zu machen. Oft hatte Dad sie eingeladen, mit uns zu Abend zu essen; da ich durch mein Handicap als Küchenhilfe ausfiel, hatte sie an meiner Stelle nach seinen Anweisungen Gemüse geschnippelt und die Soße umgerührt und dabei ohne Pause erzählt. Und manchmal, wenn ich mich längst in mein Bett verzogen hatte, konnte ich sie und Dad noch lange reden hören. Gesprächsfetzen waren in mein Zimmer herübergedrungen, wenn sie sich über Dads Reisen und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher