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In der Mitte des Lebens

Titel: In der Mitte des Lebens
Autoren: Margot Käßmann
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wie sehr wird Schönheit in der Bibel doch auch gepriesen, ja geliebt! Das fängt mit der Schöpfung an: »Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut!« (1. Mose 1,31) Es war sehr gut – es war sehr schön. Und das kann doch auch der Mensch im 21. Jahrhundert unmittelbar empfinden, am Meer, bei einem Waldspaziergang, auf einer blühenden Bergwiese, beim Anblick eines Sonnenaufgangs: Die Schöpfung ist wunderbar! Wir können sie preisen wie die Dichter der Psalmen, wir erfahren ihre Schönheit und können wie Psalm 147 sagen, dass es schön ist, Gott in der Schöpfung zu lieben. Auch wir können, wenn wir mit offenen Augen schauen, sehen, dass die »Frucht des Landes herrlich und schön ist« (Jesaja 4,2).
    Und dann gibt es auch in der Bibel natürlich einen Blick für die Schönheit junger Menschen: Rahel wird beschrieben als »von schöner Gestalt« (1. Mose 29,17), genauso wie Josef (1. Mose 39,6). Was ist das für eine Schönheit? Rahel und Josef waren natürlich jung, als sie so beschrieben wurden, und Jugend hat eine ganz eigene Schönheit. Ein junges, rankes Mädchen, faltenlos, hat einebesondere Anmut und Schönheit. Ein junger Mann, strotzend vor Energie ist schön! Aber nicht nur die unberührt wirkende Jugend ist schön, auch das Leben kann schön machen, Menschen können auf eigene Weise schöner werden mit der Zeit. Alter schließt Schönheit nicht aus. Vor vielen Jahren auf einer Reise nach Ungarn habe ich ein Altenheim besucht. Da war eine sehr alte Frau mit einem Gesicht voller Falten – die ich nie vergessen habe, weil ich sie auf beeindruckende Weise schön fand. Schön, weil voller Leben und auch im Einklang mit dem Leben. Schönsein, das heißt nicht konform, nicht 90-60-90, und alles andere ist egal, Schönheit ist nicht ein Abziehbild, wie es Tausende gibt. Schönheit kann auch durch gelebtes Leben entstehen, durch eine innere Harmonie, die wir ausstrahlen, durch Glück, das sich auf unserem Gesicht zeigt.
    Eine alternde Frau aber wird selten als schön empfunden. Zum höchsten Gut gleich nach der Gesundheit sind Attraktivität und Jugendlichkeit geworden. Also wird nicht nur Sport getrieben und das Fitnessstudio besucht – was ja wahrlich gut sein kann –, sondern auch Botox gespritzt, Silikon eingearbeitet, Fett abgesaugt und eine Diät nach der anderen ausprobiert. Wie schade, was für ein Verlust – von Zeit und Energie, die dafür aufgewendet werden, aber auch von Individualität! Falten zeigen ja auch gelebtes Leben. Und bei manchem Gesicht mit Falten denke ich: Wie schön ist das! Frauen müssen auch selbst immer wieder prüfen, wer hier eigentlich die Deutungsmacht hat, wer definiert, wie es zu sein hat. Ich will Schönheitsoperationen nicht in Bausch und Bogen verdammen. Wenn eine Frau unter ihrer Busengröße oder ihrer Nase massiv leidet, kann ein operativer Eingriff für sie eine Erleichterung sein. Aber der Versuch, das Alter zu verbannen, nimmt Menschen auch etwas von ihrer Persönlichkeit. Immer mehr Menschen legen sich auch in Deutschland unters Messer, Schönheit ist inzwischen für Geld zu haben. Aber ist das Schönheit? Von einer Sängerin wurde kürzlich berichtet, sie habe inzwischen so ziemlich alles operiert und finde nun ihre Knie fett, die sollten als nächstes verschlankt werden. Das sind Wahnvorstellungen.
    Durch die Zeiten hat sich das Empfinden für Schönheit sehr gewandelt. Wenn wir an die Gemälde vom Anfang des 17. Jahrhunderts denken, an Rubens und die Frauengestalten, die er malte: Üppige Rundungen an Bauch, Hüften und Busen, runde Gesichter, das galt als schön! Die heutigen »Schönen«, die Magermodels, wären mit Mitleid abgestempelt worden. Wer sich Müßiggang und Schatten leisten konnte, war dick und blass. Und schön. Dünn und von der Sonne gebräunt waren die, die schuften mussten – low-class galt noch nie als schön …
    Heute haben in den USA die so genannten »religiösen Rechten« das Problem mit dem Gewicht als Missionsprogramm entdeckt. Da gibt es: »Dieting for
     Jesus« (Abspecken für Jesus), und Diätmaterial mit Titeln wie »Hilfe Herr – der Teufel will mich mästen« oder »Bete dein Gewicht weg« oder auch »Slim for
     Him«. 20 Auf Versammlungen wird verkündet, dass Gott allen Fettbeladenen hilft (kein Scherz, zu finden auf der
     Homepage »Slim for Him«) und Bekenntnisse wie: »Gott hat mich von Little-Debbie-Keksen erlöst«. Das ist nun wirklich die Verkehrung der Rechtfertigung
     allein aus
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