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In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition)
Autoren: Erwin Rosen
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Meine zitternden Knie konnten den Körper nicht tragen!
    *
    Les Imberts hieß die Station. Sie war 42 Kilometer von Sidi-bel-Abbès entfernt. In sieben Stunden hatte ich diese 42 Kilometer zurückgelegt. Als ich um vier Uhr morgens den Bahnhof erreichte und in der Dunkelheit mühsam Stationsnamen und Kilometerbezeichnung entzifferte, war kein Mensch zu sehen. Tiefe Nachtstille überall. Einige hundert Meter von der Station standen leere Güterwagen auf einem Nebengeleise. In einen dieser Waggons kletterte ich und studierte, ein Zündhölzchen nach dem andern entzündend, den Fahrplan der algerischen Bahnen, den mir die fürsorgliche Mutter gesandt hatte. Kurz nach fünf Uhr ging der erste Zug nach Oran. Nun hieß es, vor allem für den äußeren Menschen zu sorgen. Ich kletterte wieder aus dem Waggon heraus und fand nach langem Suchen ein halbgefülltes Wasserfaß, das unter einem Schuppen stand. Es fing an hell zu werden. So wusch ich mich eilends und versteckte mich wieder hinter der Reihe von Güterwagen. Mit dem Taschentuch klopfte ich meine Kleider ab und rieb meine Stiefel blank, zog den »Reservekragen« meines Ghettofreundes aus der Tasche und band ihn um. Dann betrachtete ich mich in einem winzig kleinen Taschenspiegel. Es ging! Es ging sehr gut! Elegante Menschen sind etwas Seltenes in Algerien.
    Um fünf Uhr schritt ich auf einem Umweg zum Bahnhof. Auf dem Perron standen ein Dutzend wartende Menschen und – ein arabischer Gendarm, gravitätisch gegen die Mauer gelehnt. Wieder kam die Angst! Aber ich ging ruhig zum Schalter.
    »Oran – première classe.«
    »Sept-soixante,« sagte der Beamte. »Sieben Franks sechzig.« Und da kam schon der Zug. Ich stieg in das nächste Abteil erster Klasse und sah zu meiner Wonne, daß es leer war! Der Zug brauste davon. Die zwei Stunden der Fahrt von Les Imberts nach Oran benützte ich dazu, um meine Toilette so gut als möglich in Ordnung zu bringen und – unzählige Zigaretten zu rauchen, die mir die Müdigkeit vertrieben. An der Perronsperre in Oran standen Zouavenunteroffiziere und ein Legionskorporal. Sie beachteten mich gar nicht.
    Bis zehn Uhr wanderte ich in der Stadt herum. Dann ging ich in das Passagebureau der französischen Mittelmeerlinie und besorgte mir einen zweiten Kajütenplatz nach Marseille. Das Paketboot »Sankt Augustin« sollte um fünf Uhr nachmittags abgehen!
    Mit einemmal kam die Müdigkeit überwältigend über mich. Ich konnte kaum mehr stehen. Ein Hotel aufzusuchen, um einige Stunden zu ruhen, wagte ich nicht. So ging ich in ein Restaurant, aß mich in wonniger Langsamkeit durch ein französisches Diner durch und trank eine Flasche schweren Burgunders. Dann fiel mir ein, daß es entschieden auffallen mußte, wenn ich eine Seereise ohne jegliches Gepäck antrat. Für wenige Franks erstand ich einen Handkoffer, dessen Wände aus Pappe »wirklich wie Leder« aussahen, und kaufte an jeder Ecke Zeitungen, mit denen ich ihn vollstopfte. Das war mein »Gepäck«.
    Wenige Minuten vor fünf Uhr ging ich auf den Dampfer, Zigarette im Mund, ein Bündel Zeitungen unter dem Arm. Ich spazierte auf dem Verdeck auf und ab, las »Le Rire« und zwang mich krampfhaft, ein unbefangenes, amüsiertes Gesicht zu machen. Ein Gedanke nur erfüllte mich: War mein telegraphisches Signalement vom Regiment schon in Oran eingetroffen?
    Es wurde halb sechs, und noch immer lag der »St. Augustin« am Quai! Gendarmen kamen und gingen. Und mit einemmal fühlte ich, wie ich leichenblaß wurde: eine Patrouille kam, vier Zouavenunteroffiziere stiegen die Gangplanke herauf! Sie schritten durch das ganze Schiff und sahen sich überall sorgfältig um. Dann wechselten sie einige Worte mit dem Kapitän und gingen wieder.
    Schon atmete ich auf, als ein Gendarm auf mich zutrat und höflich grüßte.
    »Monsieur sind Franzose?«
    » Non monsieur, Engländer,« erwiderte ich ruhig und sah den Gendarmen lächelnd an – eisige Furcht im Herzen ...
    Wenn es ihm einfiel, eine Legitimation zu verlangen, war ich verloren!
    »Ihr Name, bitte?«
    »Eugen Sanders.«
    »Beruf?«
    »Maschinist – von Tlemcen – bin auf dem Wege nach Nizza.«
    »Ich danke verbindlichst!«
    Wenige Minuten später läutete die Schiffsglocke, die Gangplanken wurden eingezogen, und der Dampfer fuhr ab. Ich ging in meine Kajüte und schlief. Ich habe nichts gedacht während der Seereise, nichts gefürchtet, nichts gehofft – nur geschlafen!
    Als der »St. Augustin« im Hafen von Marseille einlief, kam eine neue
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