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In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition)
Autoren: Erwin Rosen
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Schwierigkeit. Die Zollrevision meines nur mit Zeitungen gefüllten Koffers! Derartiges Gepäck mußte ja verdächtig aussehen!
    Der Zufall half. Eine Menge von Booten umdrängten das Schiff, und allerlei Agenten kletterten an Bord, um Aufträge für Gepäckbeförderung und dergleichen zu erbitten. Ich wandte mich an einen von ihnen und sagte ihm, ich wünschte, möglichst schnell an Land zu kommen. Ob er mich nicht hinüberfahren könne?
    »Fünf Franks!« sagte der Mann.
    »Gerne!«
    Die Gangplanke an der Schiffsseite war schon hinabgelassen. Ich stieg mit ihm in sein Boot hinunter.
    Den Koffer mit seinem Zeitungsinhalt ließ ich an Bord, um der Zollinspektion aus dem Weg zu gehen.
    In zehn Minuten stand ich auf dem Quai in Marseille. In weiteren fünf Minuten hatte ich eine Droschke gefunden und war auf dem Weg nach dem Bahnhof. Eine halbe Stunde später saß ich in einem Coupé des Rivierazugs.
    Rivierafahrt in dunkler Nacht ... Toulon flog vorbei – Cannes. In Nizza hörte ich den Straßenjubel des zu Ende gehenden Karnevals bis in den Bahnzug hinein. Der Perron war mit Konfetti überschüttet. Monaco kam – Monte Carlo mit seinem funkelnden Lichtmeer.
    Endlich war Ventimiglia erreicht. Die erste italienische Station!
    Es war ein Uhr nachts. Ich stürzte aufs Telegraphenamt und sandte zwei Telegramme an zwei liebe Menschen ...
    Frei – Frei!

J'accuse ...
    Nach zwei Jahren. – Schatten der Vergangenheit. – Vision. – Die Allgemeinheit und die Fremdenlegion. – Die politische Seite. – Die menschliche Seite. – Der springende Punkt. – Ein unsauberes militärisches Geschäft. – Eine Frage, die unsere Zeit schon längst gelöst haben sollte. – Der leise Zweifel des Herrn Jaurès. – Quousque tandem...?
    Zwei Jahre sind vergangen.
    Kampfjahre in jedem Sinne, von den anfänglichen kleinen Sorgen ums tägliche Brot bis zum inneren Ringen um Fortentwicklung; Jahre, in denen die Arbeitslampe viel Mitternachtsöl verbrauchte, und jeder kleine Erfolg ein Freudenfest war. Mein persönlicher Standpunkt zur Fremdenlegion war ein sehr merkwürdiger in der ersten Zeit. Viele Monate lang zwang ich mich, niemals an meine Legionszeiten auch nur zu denken. Sie sollten mir ein verblaßter Schatten der Vergangenheit sein.
    Sie waren mir eine häßliche Schriftlinie auf der Lebenstafel, die ich gar zu gerne ausgelöscht hätte. Weil ich sie nicht auslöschen konnte, glitt ich beim rückschauenden Lesen scheu über sie hinweg. Das war bequem und praktisch. Aber vergangene Dinge, die man vergessen will, haben ihre eigene Art, sich ungebeten und unerwünscht aufzudrängen.
    Oft, wenn ich in lässigen Viertelstunden im Lehnstuhl lag, schlichen sich in die feinen blauen Rauchgebilde der Zigarette Legionärsgestalten.
    In endlosen Reihen zogen sie an mir vorbei, bepackt wie Lasttiere, gebeugt unter ihrer Bürde, vorwärtsstampfend im tiefen Sand, dahinkeuchend in langer Kolonne. Ich sah die stieren Augen, die gekrümmten Rücken. Ich fühlte, wie sie sich quälten, wie sie mit letzter Kraft sich schleppten. Mir war, als ob ich ihr Stöhnen hören konnte. Jede der Gestalten schien mich anzusehen, in haßerfülltem Neid: Im Lehnstuhl sitzst du? Kultur umgibt dich? Künstlerische Dinge sind um dich? Zu uns gehörst du! An deinen Platz mit dir als Flügelmann in der ersten Viererreihe der 11. Kompagnie, Legionär! Marschier', Legionär, oder verreck! Her zu uns! – Wenn ich ein Goldstück ausgab für ein Vergnügen, sah ich Legionärshände, zitternde, krallende Finger, die das Gold fassen, die es mir wegnehmen wollten. Gold! Unerhörter Wert, in dem Hände voll der jämmerlicher Kupferstücke der Legion steckten. Gib her, sagten die Finger. Gib uns! Denkst du an unsere fünf Centimes, Legionär?
    Die Gebilde plagten mich.
    Ich gab ein Stück meines Lebens preis. Nach langem Zögern schrieb ich dieses Buch. Ich gab nur die einfache Routine des Lebens im Regiment der Fremden, wie ich sie am eigenen Leibe miterlebte und mit eigenen Augen sah. Das Mindestmaß dessen, was jeder Legionär erlebt.
    Ich wollte den Legionär zeigen, wie er lebt, wie er arbeitet, wie er ist. Ich bin nicht von der Voraussetzung ausgegangen, törichte junge Leute vor der Fremdenlegion warnen zu können. Törichte Menschen lassen sich nicht warnen. Aber ich glaubte, und glaube noch, daß eine wahre, unverzerrte Schilderung der französischen Fremdenlegion ihr Scherflein dazu beitragen könnte, einer Institution ein Ende zu machen, die so wenig in unsere
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