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In den Spiegeln - Teil 3 - Aion

In den Spiegeln - Teil 3 - Aion

Titel: In den Spiegeln - Teil 3 - Aion
Autoren: Ales Pickar
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Drinks. Ich hatte nicht vor, stockbesoffen durch die Korridore des 23. Stockwerks zu torkeln.
    »Wie war eigentlich das Millennium-Fest?« fragte ich Kirké. »Ich habe es komplett im Jenseits verpasst.«
    »Es war so menschlich«, sagte sie. »Es wurde im falschen Jahr gefeiert und weder die Apokalypse, noch das Y2K-Problem fand statt.«
    Ich verstand die Ironie zwischen den Zeilen genau. Die Mitglieder der Lux Aeterna wurden zwar als Menschen geboren, doch sie nahmen sich so nicht mehr wahr. Sie waren etwas Anderes, etwas Neues. Homo transcendentalis .
    »Was hast du jetzt vor?« fragte Kirké, und ich begriff, dass mir der Gedanke, eine Wahl zu haben, noch gar nicht in den Sinn gekommen war.
    »Ich muss mir alles durch den Kopf gehen lassen«, antwortete ich zögerlich. Zwar hatte ich so etwas wie eine Agenda im Kopf, doch ich wusste, die Lux Aeterna verriet mir nicht alles, wonach ich fragte und schon gar nicht das, wonach ich nicht fragte. Ich beabsichtigte, es umgekehrt nicht anders zu machen.
    »Adam Kadmon sagte einmal: ›Der Mensch, der seine Freiheit verdient, wird nie wieder müßig sein‹«, fuhr Kirké etwas lehrerhaft fort.
    »Habt ihr denn keine Angst, dass ich alles herumerzähle?« fragte ich, statt zu antworten.
    Kirké trank einen Schluck Wein und lächelte auf diese unnachahmliche Weise.
    »Was willst du denn erzählen?«
    »Nichts«, sagte ich leise. »Es gibt nichts zu erzählen, das irgendwer glauben würde.«
    »Ich bin nun seit fünfzig Jahren auf dem Pfad der Schatten. Noch nie wollte jemand, der nicht vorher die Aschewerdung erfuhr, die Wahrheit darüber hören oder glauben. Absolute Unglaubwürdigkeit ist die beste Tarnung.«
    »Es gibt Dinge, die muss ich erfahren«, erklärte ich zögerlich. »Über mich.«
    »Viel Glück dabei«, entgegnete sie und stand auf. »Ich lasse dich jetzt allein. Ich will noch nach Celeste sehen. Es geht ihr schon viel besser.«
    Ich wollte Kirké bitten, sie von mir zu grüßen, doch es erschien mir im selben Augenblick absurd.
    So blickte ich lieber hinaus, auf Frankfurt im Abendlicht und dachte über vieles nach. Das Orange und das Rot wichen den sentimentalen elektrischen Laternen entlang der Straßen, und die Schatten der Hochhäuser verschlangen langsam die gesamte Stadt.
    Willkommen am Ende.
    Willkommen am Anfang...
    Wir wissen niemals, wohin unsere Schritte uns führen und was der nächste Tag bringt. Doch wir wissen, dass die Welt nicht auf uns wartet, während wir uns in dunklen Wohnungen verstecken. Nur Zeit verstreicht, in einer Leere, die wir zugelassen haben.
    Und so müssen wir hinaus, um die Dinge zu sehen, die uns umgeben. Denn wir sind, was wir sehen.
    Wir müssen hinaus, um Erinnerungen anzuhäufen, denn wir sind, woran wir uns erinnern.
    Doch vor allem müssen wir hinaus, um herauszufinden, was wir nicht versäumen dürfen.
    Nicht der Tod ist schrecklich, sondern das gelebte Versäumnis.
    Es gab noch so viele Fragen und so viele Rätsel in meinem Leben. Ich wurde noch immer von düsteren Albträumen verfolgt, und meine Ankunft an diesem Ort war begleitet von ungewöhnlichen Zeichen. Ich hatte zwar meinen Platz auf dem Spielbrett eingenommen, doch die Partie war kaum eröffnet.
    Ich blickte hoch, noch völlig in meinen Gedanken. Einer der Kellner stand neben mir und lächelte mich ungeduldig an.
    »W-was ist?« fragte ich und bemerkte das tragbare Telefon in seiner Hand.
    »Ein Anruf für Sie, Herr Kámen.«
    Ich räusperte mich und nahm den Hörer. Es musste jemand aus dem Elysium auf der 23. Etage sein.
    »Ja?« sagte ich zaghaft.
    » Jan-Marek Kámen? « erklang es am anderen Ende.
    »Ja...«
    » Gott sei Dank. Ich habe es auf gut Glück versucht. «
    Die Stimme klang hektisch und rastlos, wie jemand, der aus einer Telefonzelle anruft.
    »Wer sind Sie?«
    » Mein Name ist Fremont. Etienne Fremont. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen. «
    »Weshalb brauche ich Hilfe?«
    » Weil Sie aus dieser ganzen Angelegenheit aufwachen müssen. Sie sehen die Welt durch einen Schleier. Aber nichts davon ist wirklich. «
    Wieder einer, der versucht mir einzureden, ich sei wahnsinnig, dachte ich nur. Ich war bereit, den Ball in seine Hälfte zu spielen.
    »Ach ja. Was ist dann mit diesem Telefon?«
    » Das Telefon ist echt und Sie in der Leitung zu haben, war ein Glücksfall. Ich kann es Ihnen erklären. Sie müssen sich mit mir treffen. «
    »Wie alt bin ich?«
    » Sie sind 27 Jahre alt. «
    »Finden Sie es nicht seltsam, dass meine Stimme kratzig ist und
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