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In den Spiegeln - Teil 3 - Aion

In den Spiegeln - Teil 3 - Aion

Titel: In den Spiegeln - Teil 3 - Aion
Autoren: Ales Pickar
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eigenen Existenz. Die Antwort auf die Beschaffenheit dieser Welt. Gott erfüllt keine Wünsche. Nur Menschen tun das. Ein Gebet muss das reinste Opfer sein, das es gibt. Kaum noch jemand versteht das heute. Ein Gebet muss lauten: ›Ich nehme mein Schicksal an. Ich werte nichts und niemanden. Denn nur dann bin ich deiner würdig‘. Keine menschliche Täuschung, kein Wunschdenken soll dem im Weg stehen, wie ehrenhaft es auch immer anmuten mag. Das ist ein Gebet, das Engel herbeiruft. Was aber unterm Strich total langweilig ist. Wie alles Engelhafte«, erklärte das Kind und lächelte verschmitzt. Sie streckte ihre Zeigefinger aus und ließ sie wie zwei kleine Hörner durch ihr blondes Haar hervor wachsen. »Weißt du wie ein vollkommen langweiliger Planet aussieht?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Sie spazierte davon und hüpfte einige Meter nur auf einem Bein. Dann blickte sie zu mir zurück und rief mir die Antwort zu.
    »Frische Luft, grüne Auen und darauf eine Milliarde Zen-Meister.«
    Das Kind kicherte, während sich mein Gesicht zu einer Grimasse verzerrte. Es schob beide Zeigefinger durch sein Haar, so dass sie wie kleine Hörner herauslugten und blickte mich mit einem spöttischen und wahrhaft dämonischen Blick an. Dann drehte es sich auf der Ferse um und spazierte singend davon.
    Ich blickte dem kleinen Ding noch eine Weile hinterher, bis es zwischen den Bäumen der Allee verschwand.
    »Sargon war der Name, richtig?« krächzte ich in die Richtung des Lastwagens.
    Ich verspürte schon die ganze Zeit einen stechenden Hunger. Schließlich hatte ich seit meinem Besuch in der Bahnhofsmission nichts gegessen. Nun wurde mir richtig schwindlig. Ich raffte meine alten Knochen zusammen und taumelte zu dem kaltschnäuzigen Hünen.
    »Wir halten als nächstes irgendwo an und besorgen was zum Futtern. Sonst könnt ihr vergessen, dass ich kooperiere«, sagte ich selbstbewusst an.
    Sargon behielt sein Marmorgesicht und deutete wortlos seinem Gefolgsmann, sich hinter das Steuer des Wagens zu klemmen. Er stieg dann mit mir in den Container hinein und öffnete einen der Stahlschränke. Es war ein Kühlschrank voller Essen.
    »Heilige Kuh«, flüsterte ich.
    »Iss nicht zu schnell, Arschloch«, meinte Sargon mit gelangweilter Stimme. »Ich will hier keine Kotze aufwischen.«
    Er verließ den Container und verschloss die Tür von außen.

3.10 Mungos und Schlangen
     
    Das Unwetter saß wie eine riesige Spinne über der Stadt. Menschen liefen mit hochgeschlagenen Kragen und grimmigen Gesichtern an mir vorbei, ankämpfend gegen den Wind und das herabstürzende Nass. Zielstrebig eilten sie an Orte, die hoffentlich trockener und wärmer waren, als diese Straßenecke. An den Rändern ihrer Regenschirme verbanden sich die dichten Tropfen zu flüssigen Girlanden, die mich an altmodische Perlenvorhänge erinnerten.
    Der Abend brach langsam an und die Ampeln und Verkehrszeichen spiegelten sich in den dunklen Pfützen auf dem Asphalt.
    Mit der Kälte, die langsam in meine Knochen fuhr, sank auch mein Selbstvertrauen. Ich merkte, dass ich mich recht elend fühlte, und ich wusste, es war der Alkohol. Die paar Schluck Rum am Tag zuvor hatten mich eine Weile bei der Stange gehalten, die abenteuerlichen Begebenheiten taten den Rest. Doch jetzt wollte der Körper sein Soll.
    Sargon hatte mich am Straßenrand abgesetzt und gemeint, ich würde nur drei Minuten warten müssen. Dann fuhr der Lastwagen mit der Aufschrift »CAMODI —  C ARLOS M OBILES D ISCOFIEBER « davon.
    In Gedanken versunken bemerkte ich gar nicht die lange, schwarze Limousine, die am Bordstein angehalten hatte.
    Die Beifahrertür und die hintere Passagiertür öffneten sich und zwei Kerle in schwarzen Regenmänteln stiegen kurz aus. Sie blickten zu mir hinüber und ich verstand.
    Der Regen rann mir über das Gesicht, durchweichte meine Kleidung, inmitten einer monochromen, tristen Welt, die durch die feuchten, grellen Farben der Autoscheinwerfer und reißerische Neonreklamen beleuchtet wurde. Ich sah mich noch einmal um, und dann verschwand der alte Penner in Caritaskleidern in einer Limousine mit verdunkelten Fenstern.
    Ein ungewöhnliches, nicht alltägliches Bild.
    Doch geht man achtsam durch die Straßen dieser Welt, anstelle über Probleme brütend auf die eigenen Schuhe zu starren, stellt man fest, dass solche seltsamen Dinge unentwegt passieren.
    Im Auto saß ich schweigend dem unbekannten Mann gegenüber. Der Fahrer und der Beifahrer waren von uns durch eine
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