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In den Spiegeln - Teil 3 - Aion

In den Spiegeln - Teil 3 - Aion

Titel: In den Spiegeln - Teil 3 - Aion
Autoren: Ales Pickar
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Wirtskörper zu kriegen?« fragte es.
    »Ich weiß nicht mehr. So was wie: ich bin ein Star und will hier raus .«
    Die kleine Kerstin seufzte und klopfte sich auf die Stirn.
    »Dummkopf.«
    »Na, deine neue Identität ist auch nicht gerade ein Triumph...«
    Adam Kadmon hielt inne und grinste.
    »Stimmt. Aber ich bin wesentlich ansehnlicher. Die Jungs und Mädels werden es hassen, sich von einer kleinen Göre kommandieren zu lassen.«
    Sie wollte sich wieder entfernen, und auch ich kämpfte mich auf die Beine.
    »Was für eine Rolle spielt Gott in all dem? Gibt es ihn überhaupt?«
    Ich hörte ein fernes Rufen. Es war eine Frauenstimme. Kerstin sah kurz in die Richtung, aus der sie gekommen war.
    »Gott existiert, wenn man an ihn glaubt, und er tut es nicht, wenn man nicht an ihn glaubt.«
    »Das ist alles?« rief ich aus. »Das ist die ganze Antwort?«
    »Warum nicht? Es ist vollkommen legitim, an Gott zu glauben, solange man nicht auf ihn zählt.«
    Kerstin wickelte wieder das Jojo ab.
    »Das ist eine sehr grausame Sicht der Dinge.«
    »Das Leben ist grausam. Eine Krankheit, die mit der Geburt beginnt und stets mit dem Tod endet. Ein verlorener Wettlauf mit der Zeit.«
    »Ich möchte aber nicht in einer Welt leben, in der alles sinnlos ist. In der niemand mehr glaubt, oder ein Ideal hat.«
    »Das hier sind nicht mehr die Tage von Pontius Pilatus. Es gibt nichts mehr zu glauben. Glaube ist die Abwesenheit von Wissen. Und Wissen ist die Abwesenheit von Gott.«
    »Aber viele Menschen zählen auf ihn«, erwiderte ich, gewahr der Tatsache, dass ich im Augenblick nicht zu ihnen gehörte.
    »Denkst du, er ist bösartig?« fragte mich Kerstin.
    »Bösartig?«
    Ich hörte wieder jemanden Kerstins Namen rufen.
    »Ich komme!« rief sie über die Schulter.
    »Kannst du dich nicht gleich melden, wenn ich rufe!?« wetterte eine Frauenstimme hinter dem Heckenzaun.
    »Denkst du, Gott ist bösartig, weil er seine traurigsten Kinder in Konzentrationslagern umkommen lässt? Weil Gott nur denen hilft, die ihm Opfer bringen?« Das Mädchen sah mich beim Sprechen nicht an, sondern konzentrierte sich auf die kleine grüne Scheibe, die entlang des Fadens auf und ab rollte. »Nein... Auf Gott zählen, ist die eitelste Sicht auf die Welt, die es geben kann. Die Vorstellung, dass jene Kraft, die aus dem Nichts das Etwas erschafft und die im gesamten Universum den Molekülen Leben, sogar Geist einhaucht, dass diese Kraft eine Singularität vornimmt an einem Schwachkopf, der gerade unter einem geschrotteten BMW liegt, am Rande einer Autobahn, nachdem er die letzten zwei Stunden seines Lebens damit verbrachte, die Autos vor ihm anzublinken, ist absurd, traurig und lachhaft zugleich. Der einzige auf dieser Welt, der dir mit Sicherheit nicht helfen wird, ist Gott. Wir sind jetzt die aktiven, nicht Gott. Wir sind am Zug, und wir haben keinen Dispo-Kredit.«
    Ich wusste nicht, ob er mit »wir« die Menschen meinte, oder seinen Ritterverein im Dienste von Satan.
    »Also sind die Atheisten fein raus, weil sie sich nicht mit Dingen belasten, die ohnehin keinen Zweck haben...«, meinte ich, während sie sich von mir wieder abwenden wollte.
    Das Mädchen blickte mich an, als hätte es mich beim Popeln erwischt. »Hey, nur weil man plötzlich nicht mehr glaubt, dass ein Auto eine Schwanzverlängerung ist, hört es deswegen nicht auf zu fahren.«
    Ich sah das Kind verdutzt an.
    »Früher blieb kein Gebet ungehört«, sagte es mit halbleiser Stimme. »Aber nur weil man eine Stimme hört, weiß man noch nicht, ob sie von den guten Jungs stammt. Es ist ohnehin zwecklos in sein Gebet Wunschgedanken hineinzuschmuggeln. Gott wird nicht antworten auf: Lieber Gott lass mich den Jackpot knacken.«
    Ich blickte vor mich hin und beobachtete eine Ameisenstraße, die unter der Parkbank hindurch führte. Einige bogen bereits ab, um sich mit einem halbtoten Käfer zu beschäftigen. Irgendwie kam es mir vor, als wäre ich der Käfer, umgeben von blutrünstigen Ameisen. »Das verstehe ich, aber es macht doch niemand...«
    Das Kind blickte mich noch immer an und sah nun sehr traurig aus.
    »Aber du musst verstehen, dass es im Auge Gottes kein Gut und kein Böse gibt. Es gibt kein Reich und kein Arm — außer als eine gemeinsame vergängliche Idee der Menschen. Es gibt kein Glück und kein Unglück. Und wenn man in sein Gebet hineinschmuggelt: ›Lieber Gott lasse nicht zu, dass meine Tochter stirbt‘, so ist es genauso verfehlt. Das ist die große schreckliche Essenz der
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