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In den Spiegeln - Teil 3 - Aion

In den Spiegeln - Teil 3 - Aion

Titel: In den Spiegeln - Teil 3 - Aion
Autoren: Ales Pickar
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Bist´n echter Ärgermagnet. Oder superwichtig. Issja meistens dasselbe.«
    »Du lebst hier?« fragte ich ihn, während wir uns in Bewegung setzten.
    »Nein«, erklärte Julius. »Ich bin ein Turm .«
    »Ein Turm?«
    »Ja, die Türme stehen auf dem Schachbrett ganz außen. Ich lebe normalerweise außerhalb des Elysiums.«
    Er sah mich an und imitierte plötzlich einen amerikanischen Akzent: »Ikk bin ein Berleener...«
    Ich lächelte, was ihm zu gefallen schien.
    »Ich bin dort im Bereitschaftsdienst. Nicht viel los allerdings. Paar kleine Aufträge... Ansonsten Regel Nummer eins: unauffällig sein.«
    Er legte eine Kunstpause ein, bei der ich mir einfach nicht vorstellen konnte, dass sie beabsichtigt war.
    »Doch vor einigen Wochen hatte ich eine unglückliche Begegnung mit dem Oktagon. Alles Chaos, Mann... Puuuhh.«
    Er bewegte seine Hände in der Luft, als würde er damit Rauch oder einen Atompilz zeichnen. Ich begann den positiven Verdacht zu hegen, dass er stoned war.
    »Ich setz‹ mir also einen blauen Schuss und peng, zehn Minuten später krieg ich von den Neuro-Klerikern eine mitten in die Brust. Und drüben? Pah.« Er machte eine abwehrende Armbewegung. »Drüben ist echt die Hölle los. Ich bin gleich mal zur Apythia, denn ich wollte da nicht länger sein, als nötig. Ich wachte auf und war in einem Krankenhaus, in einem neuen Av...«
    »Av?«
    »Avatar. Körper. Waren drei Wochen Diesseitszeit vergangen. Flotter Spurt.«
    »Ich dachte, das Beneficium führt nicht ins Krankenzimmer«, wandte ich ein.
    »Kommt drauf an, Alter. Ging ja nicht um die Krankheit, sondern um die Schwester. Steht über mir, ihre Airbags drohen über meinem Gesicht zu explodieren — ich konnte sogar riechen, dass sie vorher einen gekippt hatte. Mischte sich gut mit dem Mundwasser. Aber nicht genug. Da fummelt´se also an meinem Ellbogen und Unterarm und will eines dieser durchsichtigen Infusionsbeutel an diese Nadel in meinem Arm anschließen.«
    Julius rieb sich besorgt den Arm, als wäre es gerade erst passiert.
    »Keine Ahnung, was das für eine Soße war, in dem Beutel. Aber in dem Augenblick dachte ich: OK, ein Kunstfehler. Mal was ganz neues. Also schickte ich die Dame zum Teufel, und während sie kreischend aus dem Krankenzimmer lief, rappelte ich mich hoch, schnappte mir den Zettel zu meinen Füßen und warf einen Blick drauf. Stand was von ›Ulcus ventriculi‹ und ›Gastritis‹ drauf. Aber ich wusste gleich, was Sache ist. War mir wohl ein Geschwür geplatzt und blutete mir den Magen voll. Da machte ich mich gleich aus dem Staub. Und X-Ray sagte nur: mach dir mal keine Gedanken — in acht Wochen bist du ganz von alleine fit. Naja, dann kam einer seiner Vorträge über die Zeichen des Schicksals. Jetzt bin ich für eine Weile hier, damit er mich beaufsichtigen kann. Is´n Spinner, aber ein guter Quacksalber. Immer´ne Geschichte auf Lager.«
    »Ich war auch drüben«, sagte ich nachdenklich. »Doch als ich zurückkam, waren über fünf Jahre vergangen.«
    »Hast dich wohl verquatscht«, meinte darauf Julius. »Zeit ist immer ein Problem drüben. Adam kam auch erst vor ein paar Tagen wieder an. Die Gruppe wurde inzwischen recht nervös. Keine Ahnung, was er dort so lange gemacht hat. Vermutlich das Orbis besucht.«
    »Orbis? Was ist das Orbis?«
    »So nennen wir unsere...« Er hielt plötzlich inne, besann sich eines besseren und lächelte etwas dümmlich. »Alles zu seiner Zeit... Adam Kadmon wartet seit sechshundert Jahren.«
    Sechshundert Jahre , schoss mir durch den Kopf. Wie sollte man etwas Derartiges einordnen? Das letzte Mal, als ich von einem so alten Menschen hörte, saß ich in einem Kino, und der betreffende Kerl hieß Vlad Tepes und nannte sich Graf Dracula. Ich fragte mich, ob Paul Lichtmann, der sich Adam Kadmon nannte, auch in einem Sarg schlief, oder eine andere analoge Exzentrizität pflegte. Ich würde es bald herausfinden.
    »Alles verändert sich mit der ersten Tätowierung«, sagte Julius, während wir vor einer verschlossenen Tür stehenblieben. Er griff in seiner Hosentasche nach der Magnetkarte.
    »Tätowierung?« fragte ich ratlos.
    Er drehte sich um und zog den kurzen T-Shirt-Ärmel hoch. Auf seiner rechten Schulter hatte er das Emblem der Lux Aeterna. Ein Kreis, besetzt mit fünf Kugeln im selben Abstand. In der Mitte des Kreises befand sich eine römische IV. Die Tätowierung war frisch und noch nicht verheilt.
    »Jede weitere Aschewerdung bedeutet eine höhere Zahl«, erklärte er
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