Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In den Armen des Eroberers

In den Armen des Eroberers

Titel: In den Armen des Eroberers
Autoren: Stephanie Laurens
Vom Netzwerk:
Kleid trug, und faltete ihn zu einer Kompresse. Sie öffnete die blutgetränkte Jacke, rührte das ruinierte Hemd des Mannes nicht an und preßte den behelfsmäßigen Verband auf das klaffende Einschußloch. Erst jetzt blickte sie dem Mann ins Gesicht.
    Er war jung – entschieden zu jung zum Sterben. Sein Gesicht war bleich, die Züge waren regelmäßig, schön und zeigten noch Spuren von kindlicher Weichheit. Dichtes braunes Haar hing zerzaust in die breite Stirn, braune Augenbrauen bogen sich über den geschlossenen Augen.
    Klebrige Feuchte berührte Honorias Finger; ihr Taschentuch und der Schal konnten den Fluß des Bluts nicht aufhalten. Ihr Blick fiel auf das Halstuch des jungen Mannes. Sie löste die Nadel, die die leinenen Falten zusammenhielt, faltete das Tuch, legte es auf die Wunde und drückte es behutsam fest.
    Sie beugte sich noch immer über den Patienten, als der erste Donnerschlag dröhnte.
    Ein tiefes, hallendes Grollen zerriß die Luft. Der Graue wieherte wild und schoß mit klappernden Hufen die Straße entlang. Mit wild klopfendem Herzen sah Honoria hilflos zu, wie ihr Gig an ihr vorbeiholperte und den Strauch, an den sie die Zügel gebunden hatte, hinter sich her schleifte.
    Dann zuckte knisternd ein Blitz. Das Blätterdach verbarg ihn, und doch tauchte er die Straße in grelles Weiß. Honoria preßte die Augen fest zu und verdrängte mit geballter Willenskraft die dräuenden Erinnerungen.
    Ein leises Stöhnen drang an ihr Ohr. Sie schlug die Augen auf und blickte auf ihren Patienten herab, doch dieser war noch immer bewußtlos.
    »Wunderbar.« Sie schaute um sich; es war unmöglich, der Wahrheit nicht ins Auge zu blicken. Sie befanden sich allein im Wald, unter Bäumen, meilenweit entfernt von jeglichem Unterschlupf, ohne Beförderungsmittel, in einer Gegend, die sie erst seit vier Tagen kannte, inmitten eines Unwetters, das die Blätter von den Bäumen riß – und vor ihr lag ein schwerverwundeter Mann. Wie um alles in der Welt sollte sie ihm helfen?
    In ihrem Kopf herrschte trostlose Leere. Mitten hinein drang plötzlich Hufgetrappel. Zuerst glaubte Honoria zu träumen, doch das Geräusch wurde immer lauter, kam näher. Ganz benommen vor Erleichterung stand sie auf. Sie stand gebeugt auf der Straße, drückte die Fingerspitzen auf die Kompresse und lauschte dem näher kommenden Hufschlag. Im letzten Augenblick richtete sie sich auf, drehte sich um und sprang tollkühn mitten in den Weg.
    Die Erde bebte, Donner hüllte Honoria ein. Sie hob den Blick und sah dem Tod ins Auge.
    Ein mächtiger schwarzer Hengst wieherte und stieg direkt vor ihr; seine eisenbeschlagenen Hufe verfehlten nur um Haaresbreite ihren Kopf. Auf dem Rücken des Tiers saß der dazu passende Mann, dessen schwarzbetuchte Schultern das Dämmerlicht blockierten. Seine dunkle Mähne flatterte, seine Züge waren streng – satanisch.
    Die Hufe des Hengstes donnerten knapp neben Honoria auf den Boden. Wutschnaubend, mit rollenden Augen zerrte das Tier an den Zügeln. Es versuchte, seinen großen Kopf in ihre Richtung aufzuwerfen, und als ihm das verweigert wurde, wollte es erneut steigen.
    Muskeln wölbten sich an den Armen des Reiters und den langen Schenkeln, die die Flanken des Hengstes preßten. Eine ewig dauernde Minute währte der Kampf zwischen Reiter und Pferd. Dann wurde es still; der Hengst ergab sich mit einem langen, schaudernden Pferdeseufzer.
    Das Herz klopfte ihr im Halse, als Honoria den Blick zu dem Reiter hob – und in seine Augen sah. Trotz des spärlichen Lichts war sie sich der Farbe ganz sicher. In ihrem hellen, leuchtenden Grün wirkten diese Augen alt, alles sehend. Groß und tiefliegend unter kräftig geschwungenen dunklen Brauen, bildeten sie das hervorstechendste Merkmal in einem ausgeprägt männlichen Gesicht. Der Blick war durchdringend, hypnotisch – nicht von dieser Welt. In diesem Moment war Honoria überzeugt davon, daß der Teufel selbst gekommen war, um sich einer armen Seele zu bemächtigen. Und ihrer ebenfalls.
    Dann färbte sich die Luft um sie herum blau.

2
    »Was in drei Teufels Namen treibt Ihr hier, Weib?«
    Die Frage, als Abschluß einer entschieden einfallsreichen Kette von Flüchen mit so viel Wut hervorgestoßen, daß selbst der Sturm innehielt, brachte Honoria wieder zu Verstand. Sie blickte die gebieterische Gestalt auf dem unruhigen Hengst an, trat mit herablassender Würde einen Schritt zurück und deutete auf die Gestalt an der Böschung. »Ich habe ihn vor wenigen Minuten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher