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In deinem Schatten

In deinem Schatten

Titel: In deinem Schatten
Autoren: Barbara Hambly
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wollte nun mal kein Trommelsolo dazu passen.”
    “Aua.” Er verzog zerknirscht das Gesicht. “Entschuldige. ‘Der Mann, der drei Beine hatte und mit jedem davon in einen Fettnapf stieg – Demnächst in Ihrem Kino!’ Ich benehme mich ständig daneben, scheint’s. Es ist nur so, dass ich seit Jahren immer nur mit Leuten zu tun habe, die glasige Augen bekommen, wenn ich über Musik rede …”
    “Das kenne ich”, sagte Maddie und lächelte. “Wenn ich erzähle, dass ich Bauchtänzerin bin, denken die meisten, ich wäre eine Stripperin.”
    Phil senkte den Blick. In einem viktorianischen Roman wäre er jetzt errötet, dachte Maddie.
    “Hast du schon mal eine gute Bauchtänzerin gesehen?”
    “Hm … äh.”
    In einer Striptease-Bar gemeinsam mit anderen Bauarbeitern, dachte sie. Nein, sie
wusste
es.
    Und dann, wie die Erinnerung an einen Albtraum, die einen einholt, hörte sie es wieder …
diese kleinen Flittchen sind doch alle gleich …
    Und sie hatte auch seinen misstrauischen Blick wieder vor Augen, als er vorhin ihrer Frage ausgewichen war und stattdessen “Du etwa?” gefragt hatte.
    Warum sitzt du eigentlich hier und unterhältst dich mit diesem Mann? Und stellst dir auch noch vor, wie er wohl mit 24 auf der Baustelle in einem Unterhemd ausgesehen haben mochte?
    Maddie stand rasch auf. Statt freundlich zu sagen:
Du solltest mal im Al-Medina vorbeikommen und dir selbst ein Bild machen,
und dann zu gehen, war sie nahe dran, ihn anzublaffen:
Du glaubst wohl, alle, die fürs Tanzen Trinkgeld kriegen, sind ohne Spickzettel und eine Ausgabe von ‘101 berühmte klassische Musikstücke’ nicht in der Lage, den Unterschied zwischen Rossini und Tschaikowsky zu erkennen, was?
    Sandy hatte auch diese Einstellung gehabt. Seine fast mitleidige Verachtung für alles, was mit Kunst zu tun hatte, war der Grund gewesen, warum Maddie vor neun Jahren mit dem Bauchtanzen aufgehört hatte.
    Doch die Art, wie Phil sie nun ehrlich bestürzt und voller Bedauern ansah, weil er offenbar glaubte, sie verärgert zu haben, hielt sie davon ab. Einen Moment lang herrschte Schweigen, und Maddie betrachtete ihn, wie er so dasaß und seine kräftigen Hände um die Kaffeetasse gelegt hatte. Er war – wie sie selbst – ein Vertriebener, der nicht nach Hause konnte.
    Sie atmete tief durch. “Da drüben ist Tessa”, sagte sie und deutete auf die zierliche Gestalt in der Navy-Jacke, die auf der anderen Straßenseite gerade die Stufen vor dem Glendower Building herunterkam. “Also dann … bis irgendwann in der Tanzschule, nehme ich an.”
    Und dann, ohne zu wissen, warum, fügte sie hinzu: “Viel Glück.”
    “Danke”, sagte er. “Das kann ich derzeit gut gebrauchen.”
    Sie fing Tessa auf der Straße ab und schlug ihr einen schnellen Imbiss im Café in der 29. Straße vor. Die Idee schien ihre Mitbewohnerin ein wenig zu erstaunen. Normalerweise aßen die beiden an Tagen, wenn Maddie im Künstlerviertel SoHo für den “YWCA” Bauchtanz unterrichtete, nur rasch ein Sandwich im Owl. Im Café fiel Maddie auf, dass Tessa kaum etwas aß. Sie wünschte, ihre Freundin würde anschließend nach Hause gehen und sich von ihrer Ballettstunde ein wenig ausruhen, bevor ihre Abendschicht im Starbucks anfing – doch sie wusste, wie unwahrscheinlich das war.
    Den Rest des Nachmittags gelang es Maddie, alle Gedanken an Phil Cooper zu verdrängen. Sie hatte fünf Tarot-Sitzungen im Hinterzimmer eines Buchladens namens “Darkness Visible” im West Village vereinbart. Und während sie dort bei Kerzenlicht die Karten legte, tauchten unangemeldet zwei weitere Kunden auf, sodass der Nachmittag mit 50 Dollar pro Sitzung durchaus einträglich war. Sie konnte das Geld für die Miete gut gebrauchen.
    Erst abends, als sie mit der U-Bahn von zu Hause ins Al-Medina fuhr, fiel ihr Phil wieder ein.
    Und das lag zumindest teilweise an Josi, die heute als zweite Tänzerin im Restaurant auftreten würde. Josi war zwar im Grunde ein reizendes und sehr nettes Mädchen, aber eben auch eine kokette Wasserstoffblondine, die – so vermutete Maddie – ihre Erfahrungen größtenteils in Oben-ohne-Bars gesammelt hatte. Sie war jünger als Maddie, atemberaubend schön und hatte die Angewohnheit, aus den Gläsern der Kunden zu trinken, sich das Gesicht mit einer Serviette abzutupfen, die sie einem Geschäftsmann vom Schoß zog, oder sich während des Tanzens lässig ihren prall gefüllten BH zurechtzurichten. Wenn sie merkte, dass ein Mann besonders spendabel
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