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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis
Autoren: Raymond Khoury
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Habgier. Wenige haben die vielen regiert. Nicht, dass die vielen besser gewesen wären. Aber anscheinend liebten die Menschen es, anderen Schmerz zuzufügen, alles Denkbare zu tun, um sich auf Kosten anderer über sie zu erheben, ungeachtet der Qualen und Leiden, die dabei verursacht wurden. Und wir wussten, dass unser Elixier die Waagschalen weiter aus dem Gleichgewicht bringen und die finstersten Instinkte des Menschen ans Licht bringen würde. Deshalb stellte sich mehr und mehr die Frage: Verdient der Mensch es überhaupt, länger zu leben, oder würde es ihm nur ermöglichen, seinen Mitmenschen noch mehr Leid zuzufügen?»
    «Ich glaube nicht, dass man alle über einen Kamm scheren kann», wandte Webster ein. «Es gibt auch viele gute Menschen auf der Welt.»
    «Möglich», räumte Munir ein. «Das wissen Sie viel besser als wir. Aber Sie verstehen unser Zögern.»
    «Wie konnten Sie in Ihrem abgelegenen Tal all das über die Welt wissen?», fragte Mia.
    «Wir leben nicht in Utopia. Wir haben immer geschwiegen. Und wir sind nicht viele. Wir wussten, wenn wir überleben wollten, mussten wir Umgang mit der Außenwelt haben. Deshalb verließen wir – der kleine Kreis der Wächter, wenn Sie so wollen – abwechselnd das Tal und reisten durch die Welt. Das haben wir immer getan. Und wir nahmen das Elixier niemals mit. Es blieb hier. Wir streiften durch die Länder und sahen zu, wie die Welt sich entwickelte. Wir brachten Bücher und Abhandlungen mit, um die andern zu unterweisen. Und wir warteten. Gelegentlich fanden wir jemanden, der außergewöhnlich war, jemanden, von dem wir glaubten, er könne ein starker Verbündeter sein und uns vielleicht helfen, die Hindernisse zu überwinden, damit wir unser Wissen mit dem Rest der Welt teilen könnten. Es gab einen Ritter bei den Kreuzzügen, der diesen Eindruck auf unsere Vorfahren machte.» Munir sah Webster an. «Ihr Großvater war auch so jemand.»
    Webster betrachtete ihn und schien im Geiste nachzurechnen.
    «Nein.» Munir lächelte, als habe er seine Gedanken erraten. «Ich habe ihn nicht gekannt. Ich war damals noch nicht geboren. Aber mein Vater kannte ihn. Man erinnert sich hier oben gern an ihn.»
    «Wie hat er Sie gefunden?», wollte Webster wissen.
    «Wir haben ihn gefunden», sagte Munir lächelnd. «Er war in Damaskus; er hatte sich nach dem Uroboros erkundigt und nach Büchern mit seinem Zeichen gesucht. Mein Vater hörte davon, suchte ihn auf und brachte ihn her. Er wollte uns helfen, die Nachricht zu verbreiten – Sebastian war voller Optimismus und Energie und hatte keine Angst vor den Mächten, die sich uns entgegenstellen würden. Aber in jenem Winter erkrankte er an Typhus. Er wollte nicht hier sterben; er bestand darauf, zu seiner Frau zurückzukehren … obwohl sie auf einem anderen Kontinent lebte.»
    Mia sah ihn staunend an. «Und in all den Jahren haben Sie das Geheimnis immer bewahren können? Niemand ist je fortgegangen, um es zu verraten?»
    «Das hier ist ein kleiner Ort», sagte Munir. «Die Leute – die jungen Leute vor allem – müssen fortgehen und die Welt kennenlernen. Deshalb weiß nicht jeder davon. Manche gehen fort und kommen nie wieder. Andere kommen zurück und bringen jemanden mit, den sie lieben. Wir warten. Wir wachen. Ein maßvolles Leben ist nicht jedermanns Sache, aber wenn wir das Gefühl haben, dass jemand eine Stufe in seinem Leben erreicht hat, auf der er zufrieden ist mit dem, was dieses Tal zu bieten hat, zufrieden damit, das Land zu bebauen und unser einfaches Leben zu teilen, ohne sich durch das einsame Leben beeinträchtigt zu fühlen, dann – und erst dann – laden wir ihn ein, dem Kreis der Bewahrer beizutreten, das Geheimnis mit uns zu teilen, seine Wohltaten zu genießen und es zu schützen.»
    Mia lehnte sich zurück. Bei den Aussichten, die sich eröffneten, wurde ihr schwindlig. Sie sah Webster und Evelyn an. Beide wussten, was sie dachte. Ihr Vater nickte leise. Auch Evelyn schaute sie zustimmend an.
    Sie wandte sich an ihren Gastgeber und fragte mit klopfendem Herzen: «Dürfen wir Ihnen helfen, es in die Welt zu tragen?»
    Munir sah seine Frau und den mochtar an. Dann lächelte er freundlich. «Glauben Sie, die Welt ist bereit dafür?»
    «Ich weiß nicht, ob sie es jemals sein wird», sagte Mia. «Aber wenn man es richtig anfängt … Warum sollten wir es nicht versuchen?»
    Munir dachte über ihre Worte nach und nickte dann. «Machen wir es so: Sie kehren zurück in Ihre Welt. Ordnen Ihre
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