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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis
Autoren: Raymond Khoury
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Ausgrabungsstätten in Jordanien, Irak und Ägypten gearbeitet. An der archäologischen Fakultät der American University of Beirut war 1992 eine Dozentenstelle frei geworden. Angesichts der verlockenden Möglichkeit, die Ausgrabungen im kürzlich zugänglich gewordenen Innenstadtbereich – mit phönizischer, griechischer und römischer Vergangenheit – zu begleiten, war dies eine Gelegenheit, die sie nicht ungenutzt lassen konnte. Sie bewarb sich und bekam die Stelle.
    Jetzt, anderthalb Jahrzehnte später, war Beirut endgültig und unwiderruflich ihr Zuhause. Sie wusste, dass sie bis ans Ende ihrer Tage hier leben würde, und der Gedanke missfiel ihr nicht. Das Land war gut zu ihr gewesen, und sie hatte sein Entgegenkommen mehr als erwidert. Ein kleiner Zirkel von begeisterten und leidenschaftlichen Studenten zeugte davon, vor allem aber die Wiederbelebung des Museums der Stadt. Beim Wiederaufbau der Innenstadt hatte sie sich mit Immobilienunternehmern und ihren Bulldozern angelegt und bei der Regierung und den internationalen Beobachtern der UNESCO unermüdliche Lobbyarbeit geleistet. Sie hatte manche Schlacht gewonnen und andere verloren, aber sie hatte auf jeden Fall etwas bewirkt. Sie hatte eine wesentliche Rolle bei der Wiedergeburt der Stadt, ja, des ganzen Landes gespielt. Sie hatte seinen Optimismus und Zynismus zu spüren bekommen, Selbstlosigkeit und Korruption, Großzügigkeit und Habgier, Hoffnung und Verzweiflung – den ganzen Cocktail der primitiven menschlichen Emotionen und Instinkte, unverblümt und ohne Bescheidenheit oder Scham zum Ausdruck gebracht.
    Und dann diese Katastrophe.
    Hisbollah und Israelis hatten sich grob verrechnet, und wie immer zahlten unschuldige Zivilisten den Preis. In diesem Sommer, erst wenige Wochen zuvor, hatte Evelyn mit einem Kloß im Hals zugesehen, wie Chinook-Hubschrauber und Kriegsschiffe die eingeschlossenen Ausländer außer Landes brachten, aber ihr war es nie in den Sinn gekommen, sich ihnen anzuschließen. Sie war ja zu Hause.
    Einstweilen gab es eine Menge Arbeit. In etwas mehr als einer Woche würde der Lehrbetrieb wiederaufgenommen, einen Monat später als gewöhnlich. Die Seminare des Sommersemesters hatten verschoben werden müssen. Einige Dozenten würden nicht mehr zurückkehren. Die nächsten paar Monate würden eine organisatorische Herausforderung werden. Sicher würde es merkwürdige Zwischenfälle geben – wie der, der sie jetzt hierhergeführt hatte, nach Sabqine, ein verschlafenes Städtchen in der welligen Hügellandschaft des südlichen Libanon, weniger als fünf Meilen von der israelischen Grenze entfernt.
    Die Stadt selbst gab es nur noch dem Namen nach. Die meisten Häuser waren zu grauen Schutthaufen geworden, Reste von verbogenem Armierungsstahl und geschmolzenem Glas. Andere waren völlig verschwunden, verschluckt von den schwarzen Trichtern, die von lasergesteuerten Lenkwaffen aufgerissen worden waren. Schnell waren Bulldozer und Lastwagen angerückt, hatten die Trümmer abgeräumt und ein makaber planiertes Gelände für eine weitere Strandhotelanlage hinterlassen. Die Leichen derer, die unter ihren eingestürzten Häusern gestorben waren, hatte man begraben, und die Stadt zeigte trotzig wieder erste Lebenszeichen. Die Überlebenden, denen vor dem Angriff die Flucht gelungen war, kamen nach und nach zurück; sie hausten in behelfsmäßigen Zelten und planten den Wiederaufbau. Die Stromversorgung würde noch lange auf sich warten lassen, aber zumindest war mit einem Lastwagen ein Tank herbeigeschafft worden, der die Leute mit Trinkwasser versorgte. Eine kleine Schlange von Dorfbewohnern wartete hier geduldig mit Plastikkanistern und Wasserflaschen, während andere zwei UNIFIL-Lastwagen entluden, die Lebensmittel und anderes Grundversorgungsmaterial gebracht hatten. Kinder rannten umher und spielten – was sonst – Krieg.
    Rames hatte sie am Morgen in das Dorf gefahren. Er stammte selbst aus einem Nachbarort. Ein älterer Einheimischer, der einzige, der während der Bombardierung im Dorf geblieben und jetzt halb taub war, hatte sie über den Teppich aus Ziegelschutt zu der Ruine der kleinen Moschee hinaufgeführt. Rames hatte sie ihr zwar beschrieben, aber der Anblick, der sie empfing, als sie schließlich oben auf der Höhe ankamen, war trotzdem erschreckend.
    Die grüne Kuppel der Moschee hatte den Beschuss, der das kleine Steingebäude zerstört hatte, irgendwie überstanden und thronte jetzt bizarr auf dem Gipfel eines
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