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Immorality Engine

Immorality Engine

Titel: Immorality Engine
Autoren: George Mann
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Rosen
und Stechpalmen begrenzten den gewundenen, mit Steinplatten ausgelegten Weg zur
Vordertür. Wie graue Geister stiegen Rauchschwaden aus zwei Kaminen. Selbst im
strömenden Regen wirkte es noch heimelig.
    Veronica nahm den Regenschirm vom Nachbarsitz, stieg aus und senkte
unter den prasselnden Tropfen sogleich den Kopf, um den Schirm aufzuspannen. In
diesem Unwetter half er allerdings kaum. Binnen Sekunden war sie bis auf die
Haut durchnässt, und der Rock klebte an den Beinen. Ihr tat der Fahrer leid,
der im dicken wollenen Übermantel mit seiner schwarzen Mütze auf dem Kutschbock
saß. Er wirkte ein wenig wie eine ertrunkene Ratte. Sie entlohnte ihn und legte
ein paar Münzen extra drauf, um ihn für die lange Fahrt und das unfreundliche
Wetter zu entschädigen. Das Wasser rann ihm vom Kinn, als er dankbar nickte.
Dann nahm er die Zügel und setzte die Pferde in Bewegung. Wenn die Tiere
ausatmeten, standen ihnen Dampfwolken vor den Nüstern.
    Veronica drehte sich um und fummelte am Riegel des Tors herum.
Schließlich musste sie sich sogar den Regenschirm unter einen Arm klemmen, um
gleichzeitig den Riegel zu öffnen und das Tor anzuheben, damit es nachgab. Die
Scharniere quietschten, und dann brannten die Regentropfen in den Augen, als
sie über den Weg zum Cottage eilte. Sie hatte sich nicht erst die Mühe gemacht,
das Tor hinter sich zu schließen.
    Veronica klopfte an und rüttelte am Türgriff. Es war von innen
abgeschlossen. Sie wartete auf der Treppe und schmiegte sich so dicht an die
Außenmauer, wie es unter dem etwas überhängenden Strohdach überhaupt möglich
war.
    Gleich darauf hörte sie drinnen
Schritte, und der Riegel kratzte in den Klammern. Sie seufzte erleichtert, weil
sie nun endlich dem Regen entfliehen würde. Im Augenblick waren ihr ein heißer
Tee und ein Handtuch das Wichtigste auf der Welt.
    Die Tür öffnete sich einen Spalt, und ein Gesicht spähte
misstrauisch heraus. Als die Frau Veronica erkannte, riss sie die Tür weit auf
und winkte sie rasch hinein.
    Mrs. Leeson, die Haushälterin, war eine rundliche kleine Dame Ende
vierzig, von freundlichem Wesen und mit einer gezierten und korrekten
Aussprache, die deutlich machte, dass sie schon einmal bessere Zeiten gesehen
hatte. Das platingraue, zu einem Dutt gebundene Haar hatte sie so straff
zurückgekämmt, dass ihre Miene in ewigem Entsetzen erstarrt schien. Ihr etwas
herrisches Auftreten ließ Veronica vermuten, dass sie früher einmal als
Gouvernante oder Lehrerin gearbeitet hatte.
    Allerdings war Mrs. Leeson sehr
erleichtert, Veronica zu begrüßen. »Oh, kommen Sie doch herein, Miss Veronica,
kommen Sie rasch aus dem Regen heraus.« Sie nahm ihr den Schirm ab und
schüttelte ihn aus, ehe sie der Besucherin aus dem Mantel half. Veronica stand
im Flur und versuchte, nicht zu sehr auf den meergrünen Teppich zu tropfen.
    Â»Ich setze sofort Wasser auf, Miss, und Sie können es sich gleich bequem machen. Miss Amelia ist im
Wohnzimmer.« Sie wurde einen Augenblick ernst und beugte sich verschwörerisch
vor. »Ich fürchte, die Anfälle sind immer schlimmer geworden, Miss Veronica.
Sie kommen häufig und sind heftig. Sie haben mich ja vorher gewarnt, aber mit
so etwas hätte ich nicht gerechnet.«
    Veronica lächelte. »Ich verstehe, Mrs. Leeson. Ich spreche gleich
morgen mit dem Arzt oder mit jemandem, der helfen kann. Er wird Medikamente
verschreiben, die hoffentlich ihren Zustand verbessern.« Sie hatte sich mit Dr.
Mason in der Anstalt in Wandsworth verabredet. Bisher hatte sie sich noch nicht
entschieden, wie sie ihm die heikle Angelegenheit vermitteln würde, aber sie
war zuversichtlich, dass er einen Weg finden würde, ihr zu helfen. Im Moment spielte
sie mit dem Gedanken, ihm zu erzählen, sie brauche die Arznei für sich selbst,
weil sie neuerdings unter ähnlichen Anfällen
leide wie ihre verstorbene Schwester, aber der Gedanke, diesen anständigen Mann
anzulügen, drehte ihr den Magen um.
    Wie auch immer, ihre Antwort hatte die Haushälterin anscheinend
besänftigt, denn sie lächelte und nickte freundlich. »Das sind wirklich gute
Neuigkeiten, Miss Veronica. Ich wusste gleich, dass Sie alles im Griff haben.«
Sie klatschte in die Hände. »Nun gut. Ich hole den Tee, und wenn ich sehe, wie
Sie auf den Teppich tropfen, können Sie sicher auch ein Handtuch brauchen.«
    Veronica
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