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Immer diese Gespenster

Immer diese Gespenster

Titel: Immer diese Gespenster
Autoren: Paul Gallico
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aufmerksam. «Was geht eigentlich hier im Hause vor? Der Gestank wird ja immer unerträglicher!«
    Nun, da Beth die Krise überstanden hatte und man wußte, daß sie sich erholen würde, bemerkten alle wieder, wie verpestet die Luft war.
    Susan Marshall verlor die Nerven. Sie setzte sich mit kalkweißem Gesicht auf einen Stuhl und fragte: «Spukt es hier wirklich, Alexander?» Bei diesen Worten schien das alte Entsetzen von den Anwesenden Besitz zu ergreifen.
    «Nein!» entgegnete Hero mit ungewöhnlicher Schärfe, um der drohenden Hysterie Einhalt zu gebieten. «Reden Sie keinen Unsinn! Haben wir nicht genug von diesem verdammten Schwindel? Das ist der einfachste Trick von allen. Weshalb sollte ein Gespenst stinken?»
    Auch Dr. Winters, der seine Patientin nun außer Gefahr wußte, nahm den Geruch wahr und fragte: «Was, in aller Welt, verbrennen Sie in Ihrer Heizung?»
    «Dr. Winters», erkundigte sich Hero, «haben Sie kürzlich jemand im Schloß Baldriantinktur verschrieben?»
    Dr. Winters blickte Hero mit gerunzelter Stirn an und antwortete dann: «Jetzt kommt es mir in den Sinn — ich habe Mrs. Spendley-Carter vor einigen Tagen eine Flasche gebracht. Ich verschreibe Baldriantinktur gern als Beruhigungsmittel.» Sein Gesicht hellte sich auf, und er rief: «Beim Zeus, das ist es! Es war mir doch gleich, als müsse ich den Geruch kennen. Warum, zum Teufel, riecht aber das ganze Haus danach?»
    Lord Paradine sagte: «Was? Mrs. Spendley-Carter? Wollen Sie damit andeuten, daß sie hinter der Sache steckt?»
    Nun war Mr. Hero an der Reihe, zu erbleichen und in Angstschweiß auszubrechen, denn er erinnerte sich plötzlich an den letzten Teil von Mrs. Taylors Warnung. Er sagte: «Wenn es bedeutet, was ich glaube...» In diesem Augenblick begann die Harfe von Paradine Hall die Melodie zu spielen.
    «Lieber Gott, mach, daß ich diesmal nicht zu spät komme», betete Hero und rannte aus dem Zimmer.
    Er lief in langen Sätzen den Korridor entlang und die schmale Treppe hinunter. Er hielt nicht einmal vor dem Musikzimmer inne, aus dem die geisterhaften Töne drangen, denn er wußte im voraus, daß die Tür verschlossen war, niemand sich darin aufhielt und die Saiten vibrierten, als würden sie von Menschenhand gezupft. Er versuchte festzustellen, wieviel von dem Lied schon gespielt worden war und wie viele Takte noch übrigblieben bis zu den letzten Zeilen:

    And now thou’rt cold and laid upon thy bier —
    Good-by, my bonnie, good-by, my bonnie dear.

    Der Schluß des Liedes würde auch das Ende von Paradine Hall und wer weiß wie vielen seiner Bewohner bedeuten.
    Hätte er nicht zuerst die Leute vor der drohenden Gefahr warnen und sie in Sicherheit bringen sollen? Jetzt war es zu spät. Er hatte alles auf diesen einen Versuch gesetzt, das Unglück abzuwenden.
    Er stürmte durch die Tür zum Anrichteraum und dann die Kellertreppe hinunter, dankbar, daß diesmal das elektrische Licht nicht ausgeschaltet worden war, und versuchte, sich in dem Labyrinth von Gängen zurechtzufinden, das die unterirdischen Gewölbe durchzog.
    War es die Angst um die Menschen, die er oben zurückgelassen hatte, oder die Atemlosigkeit als Folge seines Wettlaufs mit der Zeit, jedenfalls versagte im entscheidenden Moment Heros Orientierungssinn. Da ertönten aus einem der dunklen Gänge die Schlußakkorde:

    And now thou’rt cold and laid upon thy bier —
    Good-by, my bonnie, good-by, my bonnie dear.

    Dann wurde es still.
    «Großer Gott», rief er laut, «ich komme zu spät!» Er stürzte durch den finsteren Korridor und bereute es, unterwegs keinen Feuerlöscher oder Eimer voll Sand mitgenommen zu haben.
    Er drückte die Klinke der Gerümpelkammer nicht herunter, denn er wußte, daß sie verschlossen war; seine einzige Hoffnung bestand darin, daß die Tür seiner Kraft nicht standhalten würde. Er stemmte sich mit aller Macht dagegen und fluchte in ohnmächtiger Wut, als sie nicht nachgeben wollte. Beim zweiten Versuch gelang es ihm, sie aufzubrechen, und er stürzte in den großen, schwach beleuchteten Raum, wo ihm , Benzindünste entgegenschlugen; ein riesiger Haufen Papier, alte Lumpen und Kienspäne lagen am Boden, völlig mit Benzin durchtränkt.
    Daneben stand eine brennende Paraffinlampe. Es war geradezu ein Wunder, daß die Dämpfe sich noch nicht entzündet hatten.
    In einer Ecke, an dem Punkt, der sich genau unterhalb der goldenen Konzertharfe im Musikzimmer befand, saß Isobel Paradine.
    An ihrem Knie lehnte ein
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