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Immer diese Gespenster

Immer diese Gespenster

Titel: Immer diese Gespenster
Autoren: Paul Gallico
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Jeder mit ein wenig technischer Begabung könnte drauf kommen. Es ist immer ein Trick dabei; was sie zur effektvollen Wirkung bringt, ist die künstlerische Aufmachung.»
    , dachte Hero. Die kleine Noreen war der beste Beweis dafür, denn hatte sie nicht ganz selbständig herausgefunden, wie man in einem halbdunklen Zimmer einen Sessel bewegen konnte, als werde er von unsichtbaren Händen gestoßen? Damit hatte sie einen der ältesten Tricks wiederentdeckt, der von falschen Medien bei ihren ekelhaften Seancen angewendet wurde.
    Ellison fragte: «Haben Sie nachgeforscht, ob jemand im Schloß besonders gut mit Werkzeug umzugehen versteht?»
    Hero blickte den alten Mann sinnend an. War es möglich, daß er ohne Umwege zum selben Schluß gelangt war, der ihn, Hero, so lange, mühselige und umständliche Kleinarbeit gekostet hatte? Er sagte: «Die Sache hat aber einen Haken, Sir. Ich habe das verdammte Schloß vom Dach bis zum Keller durchsucht, aber keine zweite Harfe finden können. Eine Konzertharfe läßt sich nicht ohne weiteres verbergen oder gar in den Fluß werfen. Es sind schon zwei Mann nötig, um sie nur in die Höhe zu heben.»
    Ellison fragte: «Welche andere Harfe?»
    «Die, mit der die Harfe im Musikzimmer zum Klingen gebracht wird.»
    Ellison grinste. «Robert-Houdin benutzte vor hundert Jahren für den Trick noch zwei Harfen. Der große Rajah Rham Singh aber produzierte das Kunststück ohne Harfenisten und zweite Harfe. Es wäre zu kostspielig gewesen, gleich zwei Harfen im Gepäck mitzuführen. Wir hatten einen Bühnengehilfen, der nicht übel Geige spielte — die tat es auch.»
    Hero schoß wie elektrisiert in die Höhe. «O Gott!»
    «Ist Ihnen etwas eingefallen?» fragte Ellison.
    «Allerdings.» Hero wußte plötzlich, was er im Musikzimmer vermißt hatte. Es war das Cello, das er bei seinem ersten Besuch in der Ecke hatten stehen sehen.

26

«Leb wohl, my bonnie dear!»

    Der grauhaarige, untersetzte Ingenieur betrachtete mißtrauisch seine Zigarre und schnupperte daran. Er zog den Rauch ein, bis das Ende glühte, und schnupperte erneut. Dann schüttelte er den Kopf und sagte: «Diese Havanna zu zehn Shilling das Stück ist es nicht — aber was, zum Teufel, ist es dann?»
    Hero roch es auch. Ein abscheulicher Gestank schien das Zimmer plötzlich zu erfüllen — ein widerwärtiger, giftiger Hauch. Der Parapsychologe riß die Tür auf und rannte hinaus, gefolgt von Ellison. Im Korridor war der Geruch noch ausgeprägter und unerträglicher. Aus dem Westflügel drang eine verzweifelte Stimme: «Hero! Hero! Wo sind Sie?»
    Obgleich die Angst und Verzweiflung die Tonlage veränderte, erkannte Hero sofort, daß es Sir Richard Lockerie war, der nach ihm rief. Er antwortete: «Hier, Sir Richard — ich komme», und eilte ihm entgegen. Er traf ihn auf halbem Wege und erschrak über sein Aussehen.
    Sir Richard trug Morgenrock und Pantoffeln, war totenbleich und zerzaust, und die Augen sprangen ihm fast aus den Höhlen.
    «Um Gottes willen, Hero», rief er, «kommen Sie schnell; es ist etwas Schreckliches passiert!»
    Heros Herz krampfte sich zusammen. «Susan?»
    «Nein, nein — Beth.»
    Andere Stimmen ließen sich vernehmen. Lord Paradine schrie: «Wo, zum Teufel, kommt dieser Gestank her?»
    Dann hörte man den Schreckensschrei einer Frau. Türen öffneten sich. Susan erschien im rasch übergeworfenen Morgenrock, dann Meg und Vetter Freddie. Sie eilten alle hinter Sir Richard her in Beths Zimmer und drängten sich durch die Tür.
    Auf dem Bett ausgestreckt, lag bewegungslos eine Nonne im schwarzen Gewand und schwarzer Haube, die mit weißer, gestärkter Leinwand gefüttert war. Es bestand kein Zweifel, die blasse, schmale Gestalt in der Nonnentracht war Beth Paradine. Sie lag still wie im Schlaf, in Bewußtlosigkeit oder im Tod. Auf dem Nachttisch stand ein Glas mit einem Rest Milch darin, daneben ein Fläschchen mit Schlaftabletten.
    Sir Richard lag auf den Knien neben dem Bett und hielt sie angstvoll umfangen, schüttelte sie und rief: «Beth, Beth — oh, warum hast du das getan? Ist sie tot, Hero? Jemand muß sofort den Arzt holen!»
    Lady Paradine kniete ebenfalls am Bett ihrer Tochter und stöhnte: «Mein Kind! Mein Kind!» Dann rief sie: «Beth war ganz aufgeregt von den heutigen Ereignissen und sagte, sie werde eine Schlaftablette nehmen. Isobel brachte ihr heiße Milch — mein Kind hat sich umgebracht — warum, oh, warum nur?» Mark stand bekümmert neben seiner
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