Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zeichen des großen Bären

Im Zeichen des großen Bären

Titel: Im Zeichen des großen Bären
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
schmeichelte er, »na, das ist aber nicht nett. Heute abend bringen wir dich zum Oberst. Benimm dich gut, sonst jagen sie dich weg. Verstehst du, Teddy?«
    Der Bär guckte ihn an und schloß die Augen zu kleinen Schlitzen. Es sah aus, als blinzele er William zu.
    »In Ordnung, Teddy. Wir machen das schon. Wir beide.«
    Leutnant Powell, Gefreiter Rockwell und ein Bär machten sich auf den Weg, nachdem die violette Abenddämmerung in eine schwärzliche Nacht übergegangen war. Der Mond hing als schmale Sichel am Himmel. Er hatte vielleicht das neue Wetter mit sich gebracht. Federwölkchen. Blinkende Sterne. Die Milchstraße war zu erkennen, als der sonderbare Trupp aufbrach.
    Im Zickzack durchquerten sie den Drahtverhau, Mauern aus Stacheldraht, durch die sich schmale Pfade wanden und Erdwände Deckung gaben. Stollenstücke, Quergräben, Trichter, die von Einschüssen herrührten, und die Riesenmaulwurfshaufen hochgeschleuderter Erde bildeten ein Labyrinth, in dem nur Eingeweihte sich zurechtfanden. In Granattrichtern waren Lafetten mit Waffen postiert, in Stollen warteten Minen in Weidenkörben auf den Einsatz.
    William rief den Soldaten etwas zu.
    Die staunten zurück. Denn soweit man die gebückt dahingleitenden Gestalten erkennen konnte, lief eine davon doch wohl auf vier Beinen! Nun, die Nachricht vom Bärenkind hatte sich natürlich längst wie ein Lauffeuer verbreitet. Ja, selbst in die deutschen Linien war wie durch ein Wunder ein bißchen von der Mär durchgesickert.
    Der Bär hatte sich anfangs gewehrt. Er wollte nicht da herummarschieren. Doch da sein neuer Mensch ihn fest an der Leine führte, trabte er schließlich gelassen mit.
    Es sah gut aus. Die Nacht war ruhig – beinahe verdächtig ruhig. Immerhin war dies die Zeit für Spähtrupps und Aufklärungsunternehmen, auch für gezielte Überraschungsangriffe auf ein Geschütz oder gar ein Lebensmitteldepot im Frontbereich.
    Früher, in der ersten Zeit des Grabenkrieges, hatten beide Seiten mehr Feuer und Kampfgeist entwickelt. Sie waren müde geworden, hatten eigentlich schon resigniert. Was getan werden mußte, wurde getan, doch ohne Begeisterung. Was sollte das alles? Wenn es so weiterging, würden sie alle hier alt und grau werden, wenn sie nicht umkamen, die Franzosen, Engländer und Amerikaner so gut wie die Deutschen.
    Rockwell überlegte gerade, daß jetzt wohl die gefährlichste Strecke überwunden sei, da stiegen plötzlich von drüben Leuchtraketen auf. Weiß und hell schwebten sie unter dem Sternenhimmel. Und dann hörten sie auch das Brummen eines Dreideckers. Er war es! Dieser tollkühne Bursche, der ihre Stellungen immer wieder mit MG-Feuer eindeckte. Ein Irrer, der bisher stets hatte entkommen können. Sie warfen sich hin. Rockwell ließ den Bären los, der weiterrannte.
    Der Jagdflieger ging im Tiefflug über die Gräben und getarnten Geschütze hinweg. Sein Bord-MG bellte. Erde spritzte und überschüttete die beiden Männer, die sich an den Boden preßten, die Gesichter nach unten. Es war immer noch feucht hier. Sie hatten Angst und Hoffnung. Dann war es vorüber, und Powell schrie: »Der Bär!«
    Sie wetzten los, Rockwell lockte: »Teddy!«
    Und dann sahen sie ihn.
    Er stand über etwas gebeugt, drückte es mit einer Pfote auf den Boden und mampfte. Ein Kaninchen! Ein offenbar geschwächtes oder verletztes Tier. Rockwell versuchte es ihm wegzunehmen, aber er wehrte sich energisch.
    Nun, auch Rockwell und Powell hatten schon Kaninchen gegessen. Sie waren schließlich eine Delikatesse – in Weißwein oder in Sahnesauce. Aber so roh? Die beiden abgebrühten Kämpfer mußten schlucken. Und ihnen wurde zur gleichen Zeit klar, daß der niedlichste Petz ein Tier war. Ein Raubtier, kein Spielzeug und kein kleiner Mensch. Bestimmt nicht!
    William Rockwell ergriff die schleifende Leine. »Teddy, du bist ein Schwein«, faßte er seine Meinung zusammen.
    »Er ist kein Plüschtier fürs Kinderzimmer«, sagte Powell. »In dieser Hinsicht hat Shenessy sogar recht. Und wir sollten es auch nie vergessen.«
    Noch ging ihr Herzschlag wie ein Dampfhammer. Wirklich gelassen wurde man nie in Gefahrensituationen wie der vorhin. Doch nun strömte das Blut wieder voll und heftig durch die Adern. Sie lebten. Ein Glücksgefühl ergriff sie inmitten der Misere. Der Flieger hatte abgedreht. Grinsend erschienen sie im Regimentsgefechtsstand, den Teddy an der Leine. Er war schon etwas unwirsch. Dieses Herumzotteln hatte er eigentlich gründlich satt. Schließlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher