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Im Zeichen des großen Bären

Im Zeichen des großen Bären

Titel: Im Zeichen des großen Bären
Autoren: Heinz G. Konsalik
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prüfte Verstrebungen und erkundigte sich nach dem Funktionieren des Verpflegungsnachschubs. Er überhörte geschickt Bemerkungen der Leute wie: »Die Typen vom Stab kreuzen immer erst auf, wenn der größte Schmadder schon wieder beseitigt ist« und ließ dann endlich die Katze aus dem Sack. Er verlangte den Bären zu sehen!
    William Rockwell hatte dem Bären die Lehmbrocken aus dem Fell gezupft, so gut es ging. Er fand, daß sein Bär adrett aussah, und erhob sich erwartungsvoll.
    Aber Leutnant Clark zuckte förmlich zurück.
    Leutnant Powell, der ebenfalls sehr stolz auf ihr Maskottchen war, stellte zackig vor: »Lieber Kamerad, ich stelle Ihnen den Bär von St. Jules vor!«
    Clark betrachtete das Tier. Der Bär starrte aus Knopfaugen zurück. Sie mochten sich nicht.
    »Das soll ein Bärenbaby sein?« fragte Clark. »Aber ich bitte Sie, lieber Kamerad, das ist ja ein ziemlich großes Vieh, größer jedenfalls als ein Schäferhund zum Beispiel, auch größer als eine Dogge!«
    »Kleiner haben wir leider keinen da«, sagte Powell ärgerlich. Diesen eingebildeten Affen, der hinten beim Gefechtsstand eine relativ ruhige Kugel schob und hier mit schneidender Stimme tönte, konnte er sowieso nicht besonders leiden. Und wer ihren Bären beleidigte, der hatte es mit ihnen erst recht verdorben. Ein Blick auf seine Männer zeigte ihm, daß sie auch so dachten. Bis auf Shenessy natürlich, in dessen Lehmgesicht sogar etwas Farbe kam.
    Aber auch Shenessy sollte bald merken, daß für ihn hier kein Verbündeter in der Abneigung gegen Bären erwachsen war. Auf einen Wink von Clark trat nämlich einer seiner Begleiter vor und lieferte zackig zwei Büchsen Mirabellenkompott ab.
    Der Bär kniff die Augen etwas zusammen und nahm sofort ein freudig-listiges Aussehen an. Keine Frage: Er erkannte die Büchsen!
    Clark zündete sich lässig eine Zigarette an und ließ seine Mine los: »Heute nacht ist der Bär im Schutze der Dunkelheit zum Regimentsgefechtsstand zu bringen. Luckie – äh – der Herr Oberst will ihn sehen.«
    William Rockwell senkte den Kopf und machte so etwas Ähnliches wie ›Haltung annehmen‹.
    Powell reckte sich um mindestens drei Zentimeter und erklärte mit seiner hellsten Stimme: »Wir wissen, daß Sie als Überbringer des Befehls nur Ihre Pflicht tun. Selbstverständlich ist Befehl Befehl. Ich werde den Bären jedoch persönlich begleiten und mit Luckie – äh – Herrn Oberst über den weiteren Verbleib reden.«
    Clark nickte mit blasierter Miene. »Wie Sie wollen, Kamerad. Wenn ich mir jedoch noch eine private Bemerkung erlauben darf, möchte ich Ihnen in Erinnerung bringen: Ein Bär ist bloß ein Bär und kein Mensch!«
    In diesem Augenblick erhob der Bär sich ungeduldig auf die Hinterbeine. Tatsächlich, er war ziemlich groß. Und obwohl er eigentlich nur ungeduldig nach dem bekannten Inhalt der Büchsen Ausschau hielt und den Entscheidungen der Leute, die ihm etwas davon geben sollten, ein bißchen nachhelfen wollte, stand er nun doch unversehens Leutnant Clark gegenüber, fast wie von Mensch zu Mensch.
    Clark verließ eilig den Unterstand. William Rockwell streichelte seinem Schutzbefohlenen das zottige Fell und beeilte sich, ihm etwas zu fressen zu geben. Natürlich, ein wenig vorsichtig mußte man schon sein. Sicher, ein Bär war ein Bär. Aber doch nicht so! Nicht so, wie dieser Affe es meinte!
    Der Postempfang war immer einer der Höhepunkte des Tages. In der Etappe wurde eine wahre Staatsaktion daraus gemacht – mit Antreten im Karree und feierlichem Aufrufen der Namen. In den vordersten Linien konnte man sich das natürlich nicht leisten. Doch hier waren der stille Jubel und die Erschütterung beim Empfang eines Briefes noch stärker. Es war ein Fetzen Papier, den sie da in Händen hielten. Doch die Liebste, die Mutter, irgend jemand, der an einen gedacht hatte, der sich hingesetzt hatte, um einem zu schreiben, gab mit dem Brief ein wenig von sich mit auf die Reise. Bleib stark! Komm heil zurück! Verzage nicht! Die Wünsche aus einer anderen, glücklicheren Welt gaben dem Soldaten Kraft. Und wenn er schon wie ein Tier leben mußte, so gab es doch diese Brücke in eine menschenwürdige Zukunft.
    Rüde Typen strichen verstohlen über das Papier und trugen es dicht am Herzen. Und manch hartgesottener Kerl, der betonte, er brauche niemanden, hatte über einem niemals erwarteten Brief Tränen vergossen. Ein Mann weinte nicht. Doch jetzt war man dem Tode so nahe, da mußte man sehr tapfer sein,
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