Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zeichen des großen Bären

Im Zeichen des großen Bären

Titel: Im Zeichen des großen Bären
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
hatte er sich lange genug allein durchschlagen müssen.
    Oberst Jack Perkins ließ den kleinen Trupp sofort vor. Sein Adjutant Clark hatte ihm bereits ausführlich berichtet, nun war er gespannt.
    »Stehen Sie bequem, meine Herren«, sagte er leutselig und legte so zugleich die private Note der ganzen Angelegenheit fest. John Clark hielt sich steif etwas im Hintergrund. Er hatte mit diesem Petz einfach nichts im Sinn. Aber auf einen Wink seines Vorgesetzten trat er dann doch mit ausgestrecktem Arm einen Schritt vor und warf einige Datteln in Richtung Bär.
    Der guckte sich die komischen, wunderbar duftenden Würmer an und kostete, und dann wiegte er den Kopf und gab ein winziges Brummen von sich. So wie der geborene Feinschmecker eines Tages Kaviar oder Trüffeln entdeckt, so hatte er soeben die kulinarische Entdeckung seines jungen Lebens gemacht. Datteln! Hmmmm! Köstlich! Er blickte den Obersten geradezu treuherzig an. Kaninchen und nun dieses köstliche Zeug als Nachtisch, gar nicht übel.
    »Clark, da haben Sie mir aber einen Bären aufgebunden! Dieses Tierchen ist doch niemals so groß wie eine Riesendogge«, sagte Perkins. Clark guckte etwas geniert. Tatsächlich, jetzt sah der Petz kleiner aus. Viel kleiner. Sogar kleiner als ein Schäferhund, wenn man ehrlich war. »Bei Tageslicht sah er größer aus«, behauptete er.
    Powell lachte schallend. Am liebsten hätte Clark ihn zum Teufel geschickt, zumal der Bär nun an der Leine zerrte, und zwar eindeutig in seine Richtung, denn wo die ersten Datteln hergekommen waren, da mußten wohl noch mehr sein.
    »Ganz entzückend«, stellte ›Luckie‹ Perkins fest. »Ein Männchen?«
    »Fraglos, Herr Oberst«, bestätigte Powell.
    »Das ideale Maskottchen für das 159. Infanterieregiment«, ergänzte Perkins. »Wissen Sie was, lieber Rockwell? Wir behalten ihn hier. Wie Sie selber sehen, haben das Tier und unser tüchtiger Kamerad Clark eine tiefe Zuneigung füreinander entwickelt. Gucken Sie doch nur, wie das Tierchen zu ihm hinstrebt!« Mit dieser Bemerkung rächte Perkins sich zugleich ein wenig für all die Aufsässigkeiten und versteckten Insubordinationen, denen er – wie jeder Vorgesetzte – durch seinen dienstlichen Schatten ausgesetzt gewesen war.
    »Wir könnten ihn doch in Pflege nehmen bei der dritten Kompanie«, schlug William Rockwell vor, und er fühlte ein ziehendes Bedauern bei der Vorstellung, ihm würde sein kleiner Bär weggenommen.
    »Woher mag er nur kommen?« sinnierte Perkins.
    Clark straffte sich. »Wie ich zufällig bei einem Telefonat mit dem Armeeverpflegungslager erfuhr, haben englische Truppen vor Arras im Park einer Villa einen zerstörten und leeren Privatzoo entdeckt. Der Besitzer soll ihn schon 1912 eingerichtet und vor einiger Zeit verlassen haben.«
    »Sieh da«, sagte Perkins. »Wir müssen die Lage und – äh – die Besitzverhältnisse klären. Der Bär bleibt erst einmal hier. Unter Clarks Obhut. Sie bekommen natürlich einen Mann zur Unterstützung«, setzte er boshaft hinzu.
    »Jawohl, Sir«, bellte Clark.
    »Tut mir leid, aber Sie kriegen ihn vielleicht wieder«, wandte sich Perkins noch einmal an die ›Finder‹ des Bären. »Spätestens, wenn Sie zurückgezogen werden aus der vordersten Linie. Und das wird, ich kann es Ihnen verraten, schon bald sein.«
    Powell und Rockwell nahmen Haltung an, und Rockwell streckte Clark das Ende der Leine hin. Während der sie mit steifem Arm ergriff, kauerte William sich nieder zu seinem braunen, schmutzigen, wuscheligen, geliebten Bären und umarmte ihn.
    Sie gingen. Draußen steckte Powell sich eine Zigarette an.
    Rockwell schüttelte den Kopf und murmelte: »Er hat keinen guten Charakter.«
    »Unser Bär?«
    »Nö. Luckie, ich meine, der Oberst.«
    »Na, na, William.« Sie sahen sich an und grinsten traurig. »Jedenfalls kommen wir bald in die Etappe. Wurde aber auch mal Zeit.«
    »Die berühmte Koppelung: gute und schlechte Nachricht.«
    Drinnen entschied Luckie gerade: »Er kann in die kleine Baracke gebracht werden, in der wir die Spritreserven hatten. Ich werde einen Mann beordern.«
    »Das mache ich schon selber«, sagte Clark trotzig. Er öffnete die Tür und zog seinen bockenden Gefährten hinter sich her. Die Datteln waren auch alle, verdammt!
    Vielleicht hätten sie wirklich etwas bewirken können. So aber regte sich in dem kleinen Bären eine helle Verzweiflung, ein Urtrieb zu einem Wesen, das zu ihm gehörte, ihn beschützte und liebte. Das hatte er doch gerade gefunden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher