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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit
Autoren: Stefan Schomann
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werden. Der Clou des Saals aber ist, dass er wie eine Manschette um den denkmalgeschützten Schornstein des alten Kesselhauses herumgebaut wurde. Diese kuriose Kombination wirkt wie ein Sinnbild für die lange Reise des Roten Kreuzes vom 19. ins 21. Jahrhundert.

    DRK-Schwestern scharen sich um die Begründerin des Clementinenhauses in Hannover, Olga Freiin von Lützerode (links vorne sitzend, um 1910).
    © DRK-Schwesternschaft Clementinenhaus e. V.
    Die Chronik des Hauses bildet die Geschichte der Organisation wie im Zeitraffer ab: Im Kaiserreich gehören Clementinenschwestern zu den ersten Pflegerinnen in den Kolonien. 1914 schwärmen an die siebzig von ihnen an alle Fronten aus, bis hin nach Konstantinopel. Die zwanziger Jahre bringen bauliche Erweiterungen und eine Modernisierung des Berufsstands. Neben den klassischen Krankenpflegerinnen gibt es nun auch eine Pfortenschwester, eine Büroschwester, eine Nähschwester und eine Bauschwester, welche die Handwerker beaufsichtigt. Dann halten Hitlergruß und Hakenkreuz Einzug. Scheint das wichtigste Ereignis 1937 noch die Erhöhung des Taschengelds gewesen zu sein, so werden ihnen 1938 schon die Dienstränge der Wehrmacht eingetrichtert. Im Zweiten Weltkrieg machen Clementinenschwestern den Tunesienfeldzug ebenso mit wie die Belagerung von Leningrad. Im März 1945 wird das Haus durch Bomben zerstört, wochenlang hausen Personal und Patienten in einer Ruine ohne Fenster und Türen, ohne Gas und Wasser. Zahlreiche Flüchtlinge nächtigen auf den Notbetten im Bunker. Dann ist der Krieg zu Ende und mit ihm auch die Naziherrschaft. Mit dem Zahnarztbohrer meißeln die Schwestern die Hakenkreuze aus ihren Broschen. Für zehn von ihnen steht nur ein Mantel zur Verfügung. Mit dem immergleichen Faden passen sie die Länge an, je nachdem, wer aus dem Haus geht.
    Der Wiederaufbau geschieht zügig. Die sechziger Jahre manifestieren sich in Gebäudetrakten aus Waschbeton, aber auch im gesellschaftlichen Wertewandel: hier noch stramme Hierarchien und abendliches Choralsingen, dort persönliche Freiräume und erste Eheschließungen. Dennoch plagen die Hannoveraner Rotkreuzschwestern Nachwuchssorgen, so dass Schwestern aus Korea und Hebammen von den Philippinen geholt werden, später auch aus Polen.
    Nach 1989 hält eine neue Zeit Einzug. Und mit ihr ein neuer Geist, der sich auch in der äußeren Erscheinung niederschlägt. Tracht und Haube weichen der »Imagekleidung«, die 1992 auf dem Bundeskongress des Verbandes der Schwesternschaften in Hannover vorgeführt wird: dunkler Hosenanzug oder Kostüm, weiße Bluse und seidenes Halstuch mit Rotkreuzemblem. Die neue Garderobe für die rund 22000 Frauen, die den 33 Schwesternschaften vom Roten Kreuz angehören.
    Heute präsentiert sich das Clementinenhaus als moderne Stadtteilklinik mit zweihundert Betten und vierhundert Mitarbeitern, und als eines von rund fünfzig Krankenhäusern des DRK . Sabine Schipplick, langjährige Oberin der Schwesternschaft Hannover und frühere DRK -Generaloberin, hat sich über Jahrzehnte hinweg in der Verbandsarbeit und der Gesundheitspolitik engagiert. Sie hat die Schwesternschaften sowohl als berufliche Interessenvertretung wie auch als »Verantwortungsgemeinschaft« verstanden und im zunehmenden Wettbewerb um die Patienten auf »eine weitere Professionalisierung der Pflege durch berufsbegleitende Fortbildung« gesetzt. Von Anfang an diente das Clementinenhaus auch als Ausbildungsstätte; Agnes Karll, eine international einflussreiche Reformerin des Pflegewesens, hat hier gelernt. Diese Tradition setzt die angegliederte Krankenpflegeschule bis heute fort. Neben den beruflichen Inhalten werden auch klassische Rotkreuzthemen vermittelt, etwa die Geschichte der Bewegung, die Grundsätze und die Entwicklung des humanitären Völkerrechts. Das Fortbildungsprogramm reicht vom Konfliktmanagement bis zur Sterbebegleitung. Spezialgebiete wie die besonderen Angebote für Patienten mit Fettleibigkeit oder das Zentrum für minimalinvasive Chirurgie geben dem Haus zusätzliches Profil. Wo früher bis zu zwölf Patienten in einem Raum untergebracht waren, finden sie heute freundliche Einzel- und Doppelzimmer vor, mit WLAN -Zugang und breitgefächertem Speisenmenü. Freiin Olga, die erste Oberin der Clementinen, würde staunen, wie weit ihr Werk gediehen ist.
    »Ein ganz besonderer Saft«
    Besonders anschaulich wird der Trend zur Technisierung und Professionalisierung der Rotkreuzarbeit im Blutspendewesen. Das im Jahr
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