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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit
Autoren: Stefan Schomann
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die Bergwacht beim Hubschraubertraining abhängig vom Wetter und von den Betreibern, jede Übungsstunde kostete viel Geld. Nun kann sie ihre Leute effizient und sicher ausbilden, schont obendrein die Umwelt und stört nicht die Ruhe in einem stillen Tal. In der lichtdurchfluteten Halle fühlt man sich draußen und drinnen zugleich. Durch die transparenten Folienwände schweift der Blick über die Kirche von Gaißach ins Isartal. Ein Bussard streicht vorbei. Zwanzig Teilnehmer sind gekommen, um einen Teil der Eignungsprüfung für die mehrjährige Ausbildung zu absolvieren. Verteilt auf mehrere Stationen, nesteln sie an ihren Monturen, justieren die Rettungsgurte und gehen die Abläufe nochmals durch: Einsteigen im Schwebflug, Einsteigen bei einer Kufenlandung überm Grat. Hochziehen per Winde, Abseilen per Winde.
    Nicht wenige haben für ihr Engagement ein Vorbild in der Familie. Wie Reinhold Boiger, 33, Bauingenieur aus Kochel. »Mein Opa war als Sanitäter im Roten Kreuz. Er hat immer die Uniform in Ehren gehalten und von dramatischen Einsätzen erzählt.« Beim Klettern wie auch bei der beruflichen Sicherheitsausbildung hat Boiger gemerkt, dass er in Notsituationen einen klaren Kopf behält. Neben ihm macht sich Andrea Wunder aus Oberammergau bereit. Die 27-Jährige arbeitet in einem Bergsportgeschäft. Ihr Urgroßvater war in der Region ein legendärer Skilehrer, dazu Bereitschaftsleiter im Zweiten Weltkrieg. Für sie steht das gemeinsame Unterwegssein in den Bergen im Vordergrund. »Ich bin keine Samariterin, hab keine Flügel hintendran«, stellt sie klar.
    Für Nadine Giraud, Angestellte eines Pharmaunternehmens in Penzberg, geht es darum, »etwas Sinnvolles zu tun und einen Dienst für die Gesellschaft zu erbringen«. Viele Teilnehmer kommen aus Dörfern, wo die Auswahl an Aktivitäten naturgemäß beschränkt ist. Der einen war der Trachtenverein zu konservativ, dem anderen die Feuerwehr zu militärisch. Die Bergwacht aber hat ein modernes, sportliches Image, einen gewissen Nimbus, und man trifft dort gute Bergsteiger und Skifahrer. Von denen jeder weiß, wie schnell man in Not geraten kann. So begann die Bewegung einst ja auch, als Selbsthilfeorganisation der Alpinisten.
    Gut zwei Stunden lang proben die Teilnehmer die immergleichen Abläufe, damit jeder Handgriff verinnerlicht wird. In flinkem Turnus wird hier ein Retter abgesetzt, dort ein Verletzter aufgenommen. Am Schräghang packen drei Kollegen Reinhold Boiger wie eine Mumie in den Bergesack. Ein vierter befestigt eine Halteleine an dem Menschenbündel, um ein Kreiseln und damit ein Rotationstrauma während des Hochziehens zu verhindern – auf bairisch einen Drehwurm. Der Hubschrauber zieht ganz leicht hoch, der Sack landet wie von Zauberhand auf den Knien von Nadine Giraud, und dann kann die Himmelfahrt beginnen. Während das Luftfahrzeug in die entgegengesetzte Ecke der Halle saust, schweben die beiden fünfzehn Meter über dem Boden dahin, als sei es das Normalste von der Welt. Schließlich wird die Halteleine gelöst, Patient und Retterin in den Hubschrauber gehievt, und dann bleibt nur noch eines: »Tür zu und ab zum Krankenhaus!«
    Segen zu mehren
    »Gott zu Ehren, Krankheit zu wehren, Schwestern zu lehren, Segen zu mehren«, so bestimmte eine Inschrift am Hauptportal die Mission des Clementinen-Krankenhauses in Hannover. Darüber lag wie ein spirituelles Cockpit die Kapelle als Herzstück des Hauses. Die Gründerin, Freiin Olga von Lützerode, war eine fromme Frau. Im Krieg gegen Frankreich legte sie 1870 die Armbinde mit dem Roten Kreuz an, »mit etwa denselben Gefühlen, wie sie das Herz eines Kreuzritters erfüllten«. In einem Lazarett in Frankfurt an der Oder bändigte sie hundert Soldaten fast im Alleingang. Danach wirkte sie am Berliner Augusta-Hospital, bevor sie 1875 in Hannover ihre eigene »Krankenpflegerinnen-Anstalt« sowie die Schwesternschaft Clementinenhaus gründete und bei der Kaiserin persönlich die Zulassung erbat. Sie brachte ihr eigenes Vermögen ein, organisierte aber auch Spenden. So vermachte etwa Wilhelm Busch dem Haus einen Teil der Tantiemen aus Max und Moritz . 1887 konnte dann der gediegene gelbe Backsteinbau bezogen werden. Die Ausstattung war hochmodern und umfasste auch einen hydraulischen Fahrstuhl, der die Kranken mitsamt ihren Betten aufnahm. Diese fortschrittliche Orientierung ist dem Haus bis heute geblieben. Manche Operationen sind medizinisch so avanciert, dass sie per Video nach China übertragen
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