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Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Titel: Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)
Autoren: Steven Erikson
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Prolog
    Sprich die Wahrheit, werde still, bis das Wasser zwischen uns klar ist.
    Meditationen der Tiste Andii
    I ch habe keinen Namen für diese Stadt«, sagte der zerlumpte Mann, während er an den ausgefransten Säumen dessen zerrte, was einst ein prächtiger Umhang gewesen war. In seinem geflochtenen Gürtel steckte eine aufgerollte, halb verrottete und zerschlissene lederne Hundeleine. »Ich glaube, sie braucht einen Namen«, fuhr er fort und hob dabei die Stimme, um trotz der wild kämpfenden Hunde gehört zu werden, »doch ich stelle fest, dass es mir an Vorstellungskraft mangelt, und niemanden sonderlich zu interessieren scheint.«
    Die Frau, die jetzt an seiner Seite stand und die er auf diese Weise ins Gespräch ziehen wollte, war erst vor kurzem angekommen. Von ihrem Leben in der Zeit davor war nur sehr wenig geblieben. Sie hatte keinen Hund gehabt, und doch hatte sie sich plötzlich hier wiedergefunden, war eine Hauptstraße dieser heruntergekommenen, merkwürdigen Stadt entlanggestolpert und hatte dabei eine Leine umklammert, an deren anderem Ende ein übellauniges Vieh zerrte, das versuchte, jeden Passanten anzuspringen. Das verfaulte Leder war schließlich gerissen, so dass das Tier freigekommen und prompt losgestürmt war, um den Hund dieses Mannes anzugreifen.
    Die beiden Tiere versuchten jetzt mitten auf der Straße, sich gegenseitig zu töten, und ihr einziges Publikum bestand aus ihren mutmaßlichen Besitzern. Staub hatte Blut und Fellbüscheln Platz gemacht.
    »Früher hat es hier mal eine Garnison gegeben«, sagte der Mann, »drei Soldaten, die einander nicht gekannt haben. Aber einer nach dem anderen sind sie weggegangen.«
    »Ich hatte noch nie einen Hund«, antwortete sie – und zuckte überrascht zusammen, als ihr klar wurde, dass dies die ersten Worte waren, die sie sagte, seit … nun, seit der Zeit davor.
    »Ich auch nicht«, gab der Mann zu. »Und bis gerade eben war mein Hund der einzige in der Stadt. Merkwürdigerweise habe ich das elende Biest niemals liebgewonnen.«
    »Wie lange … äh … wie lange bist du schon hier?«
    »Ich habe keine Ahnung, aber es kommt mir vor wie eine Ewigkeit.«
    Sie schaute sich um und nickte. »Mir auch.«
    »Ach, ich glaube, dein lieber Hund ist gestorben.«
    »Oh! Ja, das ist er wohl.« Sie sah stirnrunzelnd auf die abgerissene Leine in ihrer Hand. »Dann brauche ich zumindest keine neue Leine, nehme ich an.«
    »Sei dir dessen nicht so sicher«, sagte der Mann. »Die Dinge scheinen sich hier zu wiederholen. Tag für Tag. Aber pass auf, du kannst meine haben – wie du siehst, benutze ich sie nie.«
    Sie nahm die zusammengerollte Leine entgegen. »Danke.« Mit der Leine in der Hand ging sie dorthin, wo ihr toter Hund lag, der mehr oder weniger in Stücke gerissen war. Der Sieger kroch zu seinem Herrn zurück und zog dabei eine Blutspur hinter sich her.
    Alles wirkte irgendwie schief, einschließlich – wie ihr bewusst wurde – ihrer eigenen Impulse. Sie kauerte sich hin, hob sanft den zerbissenen Kopf ihres toten Hundes an und schob die Schlinge darüber, bis sie um den zerfetzten Hals lag. Dann ließ sie den blutigen, mit schaumigem Speichel bedeckten Kopf wieder auf den Boden sinken und richtete sich auf, wobei sie die ausgefranste Leine locker in der rechten Hand hielt.
    Der Mann trat zu ihr. »Tja, das ist alles ziemlich verwirrend, was?«
    »Ja.«
    »Und wir dachten, das Leben sei verwirrend.«
    Sie warf ihm einen Blick zu. »Dann sind wir also tatsächlich tot?«
    »Ich nehme es an.«
    »Dann verstehe ich das alles nicht. Ich sollte in einer Gruft beigesetzt werden. In einer schönen, stabilen Gruft – ich habe sie selbst gesehen. Sie war prächtig ausgestattet und sollte Schutz vor Dieben gewähren, mit Fässern voller Wein und gewürztem Fleisch und Früchten für die Reise …« Sie deutete auf die Lumpen, die sie trug. »Ich sollte in meine besten Kleider gekleidet werden, sollte all meinen Schmuck tragen.«
    Er betrachtete sie. »Dann warst du also reich.«
    »Ja.« Sie schaute wieder zu dem toten Hund am Ende der Leine hinunter.
    »Jetzt bist du es nicht mehr.«
    Sie starrte ihn wütend an, und dann wurde ihr klar, dass diese Wut … nun ja, sinnlos war. »Ich habe diese Stadt hier noch nie gesehen. Sie sieht aus, als ob sie zerfällt.«
    »Ja, sie zerfällt. Du hast ja so recht.«
    »Ich weiß nicht, wo ich lebe – oh, das klingt merkwürdig, oder?« Sie schaute sich erneut um. »Hier gibt es überall nur Staub und Zerfall … und was
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