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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
Autoren: Rebecca Maly
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sich auch bemühte, so brachte sie meistens nichts außer törichtem Gestammel hervor. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, sie bekam kaum noch Luft, und ihre Stimme klang in ihren Ohren schlimmer als das Krächzen einer Krähe.
    Zum Glück schien es auch ihr Begleiter mit dem Reden nicht eilig zu haben. Sie sah zu ihm auf, dann wieder auf ihre Hand, die auf seinem leicht angewinkelten Arm lag.
    Unter dem Stoff konnte sie die festen Muskeln spüren, und sie stellte sich vor, wie er in der Militärakademie mit seinen Kameraden focht.
    » Gefällt Ihnen die Schau? « , fragte er schließlich und räusperte sich gleich darauf.
    Johanna sah sich um. Sie wollte ihm eine aufrichtige Antwort geben. Nicht weit entfernt stand ein Mann mit einem stattlichen Afrikaner und erklärte einer neugierigen Zuschauermenge, was diesen von den zivilisierten Weißen unterschied.
    » Es sieht alles so künstlich aus. Die Wilden, die Tiere, alle schauen traurig drein. Ich glaube, sie wären lieber in Afrika geblieben. «
    Liam blieb stehen und blickte ihr in die Augen. » Ich bin mir sicher, dass es so ist. «
    » Wird man Sie auch nach Afrika schicken? «
    » Das Empire ist groß. Ich werde meine Pflicht gegenüber Land und Krone erfüllen, wohin auch immer ich gerufen werde. « Die Worte klangen, als hätte er sie auswendig gelernt.
    Johanna erinnerte sich wieder an den Moment, als sie ihn das erste Mal gesehen hatte. An das kleine schwarze Büchlein in seinen Händen. Die Art, wie er dagestanden hatte. Wie ein Beobachter hinter Glas, beinahe entrückt.
    » Darf ich Sie etwas fragen? «
    » Immer heraus damit! «
    » Sind Sie Schriftsteller? «
    Er lachte, offen und angenehm tief. Der freudige Klang rührte etwas in ihrem Inneren, und ihr wurde heiß und kalt zugleich.
    » Ich würde nie eine anständige Zeile zu Papier bringen. Wie kommen Sie darauf? «
    Johanna wurde schon wieder rot. Sie legte eine Hand an ihre glühende Wange.
    » Ich habe Sie gesehen, vorhin, dort unter dem Baum, Sie haben etwas geschrieben, da dachte ich… ach, verzeihen Sie… «
    Liams Lächeln erlosch bei ihren Worten, und seine Schritte wurden schneller. Johanna ahnte mit Grauen, dass sie einenFauxpas begangen hatte. » Entschuldigung, ich hätte nichtso neugierig sein sollen. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. «
    » Ich zeichne « , stieß Liam hervor. » Es ist ein unnützer Zeitvertreib für einen angehenden Offizier, ich weiß. «
    » Nein, das ist wunderbar. «
    » Finden Sie? « Er blieb stehen.
    Johanna nickte nur, der Blick in seine strahlend blauen Augen verschlug ihr die Sprache. Liam legte seine Hand auf die ihre und drückte sie kurz. » Möchten Sie sehen, was ich gezeichnet habe? Aber Sie müssen ehrlich sein. «
    Als Johanna wieder nickte, griff er in seine Uniformjacke, zog das Büchlein aus der Innentasche und reichte es ihr. Der Ledereinband war ganz warm von seinem Körper. Johanna kam es vor, als täte sie etwas Ungehöriges, als sie es berührte. Vorsichtig klappte sie das Buch an der Stelle auf, an der ein dünnes, rotes Bändchen herausragte, und sah in das Gesicht einer alten Afrikanerin. Sie war wunderbar getroffen. Ihre Augen waren auch auf dem Papier traurig, was Johanna in dem Dorf schon aufgefallen war.
    Sie blätterte zurück. Mehr Zeichnungen von der Völkerschau, und Bilder von Tieren und Gebäuden. Ein bestimmtes Pferd hatte er besonders oft abgebildet.
    » Und? «
    » Wunderschön. Sie sind ein Künstler, Mr Fitzgerald. Sie sollten Buchillustrationen machen, für MacDougal zum Beispiel. «
    » Vielen Dank. Und das sagen Sie nicht nur so? «
    » Keinesfalls. Die Bilder sind wirklich ganz außerordentlich. « Johanna mochte ihm die Skizzen kaum zurückgeben.
    Als sie es schließlich tat, berührte er wie durch Zufall ihre Hand. Sie hielt gebannt den Atem an.
    » Johanna, Liam, da seid Ihr ja « , hörte sie plötzlich Henry MacDougal rufen. Der Kadett ließ hastig ihre Hand los und steckte sein Notizbuch ein.
    Sie gingen den anderen entgegen. Es blieben nur noch Sekunden, bis sie sich trennen mussten, und Johannas kurzes Glück verwandelte sich in Furcht vor dem Abschied.
    » Ich würde Sie gerne wiedersehen, wenn Sie das erlauben « , sagte Liam Fitzgerald leise, ohne sie anzusehen, und erfüllte damit ihren größten Wunsch.
    Johanna wusste nicht, was sie erwidern sollte, was sie erwidern durfte.
    » Ich reite morgen Vormittag aus « , flüsterte sie schnell. » Hier im Park, gegen elf. «

September 1845
    An Bord der VJL
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