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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
Autoren: Rebecca Maly
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Augen spielten ihr einen Streich, sah sie genauer hin, und dann fiel ihr vor Überraschung beinahe der Schirm aus der Hand. Das konnte doch nicht wahr sein!
    » Vater, Vater, seht nur! « Sie wies mit ausgestreckter Hand nach rechts. In diesem Moment war es ihr gleich, dass sich so etwas für eine Dame ihres Standes nicht gehörte.
    » Du meine Güte! Er hat es also wirklich geschafft! Und ich dachte noch, er prahlt nur! «
    Sie hatten angehalten, um das Schauspiel zu beobachten. Auf einem schmalen Weg näherte sich ein Einspänner, der ihrem ähnelte. Ein vornehmer Herr mit weißem Bart lenkte mit verschmitztem Lächeln ein Zebra, das den Wagen in flottem Trab zog.
    Das Tier trug Scheuklappen und bewegte aufgeregt die langen Ohren. Immer wieder riss es sein Maul auf, wenn der Gentleman auf dem Kutschbock an den Zügeln zog und es ermahnte, das Tempo nicht noch weiter zu erhöhen. Das Zebra war nervös, doch offensichtlich zahm genug, um als Zugtier zu dienen.
    Johanna kam aus dem Staunen nicht heraus. So etwas hättesie auch gern! Der stolze Besitzer legte grüßend zwei Fingeran den Zylinder, und schon war er an ihnen vorbeigefahren.
    Anthony Chester lachte über das fast schon kindliche Erstaunen seiner Tochter und hieß den Kutscher, die Fahrt fortzusetzen.
    Kurz darauf erreichten sie die Völkerschau. Zahlreiche Händler und fahrendes Volk hatten ihre Stände auf dem grünen Rasen aufgebaut.
    Im Frühlingswind flatterten bunte Fahnen, und Plakate kündigten echte Menschenfresser an. Vor dem Eingang zum Areal drängten sich Trauben von Besuchern.
    Johanna entdeckte viele Bekannte in der Menge. Nur selten mischten sich die Mitglieder der gehobenen Gesellschaft von London unter die einfachen Leute. Doch hier waren sie in ihrer Neugier friedlich vereint mit Bürgern und Arbeitern.
    Der Wagen kam nicht mehr weiter. Zu viele Kutschen und Einspänner versperrten die Zufahrt. Vater und Tochter Chester setzten den kurzen Weg zu Fuß fort. Sie waren erst einige Schritte gegangen, als Lord Chester bereits ein vertrautes Gesicht zwischen den Schaulustigen entdeckte und grüßend die Hand hob.
    » Anthony, wie wunderbar, ich dachte schon, du kommst nicht « , rief ein braun gebrannter Mittvierziger aus einiger Entfernung. Johanna wünschte kurz, sie hätten zumindest eine Chance gehabt, sich die Schau in Ruhe anzusehen, bevor ihr Vater mit seinen Freunden in endlose Diskussionen verfiel, doch so schnell ließ sie sich ihre gute Laune nicht verderben.
    Der Mann eilte auf sie zu. Er trug seinen sicherlich neuen Anzug so, als hätte er noch nie ein solches Kleidungsstück am Leib gehabt, und rieb sich mit der linken Hand unter dem engen Halskragen. » Meine Güte, Miss, was für eine wunderhübsche junge Dame Sie geworden sind! «
    Johanna hegte keinen Zweifel daran, wer sie mit Komplimenten bedachte: Es musste der Forscher Henry MacDougal sein, der die Schätze der Ausstellung aus Afrika mitgebracht hatte. Ihr Vater hatte vor zwei Jahren einen nicht unerheblichen finanziellen Beitrag zur Ausrüstung dieser Expedition geleistet.
    Von nun an war Johanna Luft für ihren Vater, doch sie nahm es ihm nicht übel. Zum Glück setzten sie ihren schlendernden Rundgang fort. Johanna entdeckte weitere Bekannte, winkte anderen jungen Frauen zu. Überall war Stimmengewirr zu hören, durchmischt von Musik und rhythmischen Gesängen. Ein Mann bot exotische Stoffe feil und war schneller wieder verschwunden, als Johanna lieb wahr. Ein kleiner afrikanischer Junge mit einem Bauchladen kam zu ihr, als sie ihm lächelnd ein Handzeichen gab.
    Auf einem Brett, das er sich mit einer bunten Kordel vor die Brust gehängt hatte, trug er mehrere kleine Körbe, in denen Figürchen aus Halbedelstein und Elfenbein wild durcheinanderlagen.
    » Die sind aber wunderhübsch. « Johanna strich dem Jungen durch das krause Haar, stöberte schnell durch das Sortiment und erstand für einige Münzen gleich zwei kleine Elfenbeinfiguren. Der Junge verbeugte sich dankend, verzog seinen Mund zu einem strahlenden Lächeln und war im nächsten Moment auch schon im Gewühl der Sonntagsflaneure verschwunden.
    Johanna holte ihren Vater ein und ging schweigend mit ihm und dem Forscher weiter. Das Elfenbein fühlte sich in ihrer Hand wunderbar warm und lebendig an. Sie hatte einen kleinen Reiter auf einem Pferdchen gekauft und ein Tier, von dem sie nicht einmal wusste, was es war. Mutter würde sie schelten, wenn sie entdeckte, dass Johanna das Faible für den Negerplunder von
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