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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
Autoren: Rebecca Maly
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Chester war nichts wichtiger als das, was andere über ihre Familie dachten. Auch Johanna stand deshalb unter ständiger Beobachtung. Der Perfektionismus der Mutter und ihr Hang zur Selbstinszenierung waren Johanna ein Greuel. Dennoch vertrug sie sich eigentlich gut mit ihr, doch jetzt, so wusste sie, würde sie sich eine Standpauke anhören müssen. Zu schick für einen Montagmorgen. Es war verdächtig. Elisabeth Chester wusste genau, dass Johanna sich nicht freiwillig in die aufwändigen Kleider zwängte.
    Johanna verdrängte den Gedanken an ihre Mutter. Bei ihrer Rückkehr war es früh genug, sich über eine Konfrontation mit ihr Sorgen zu machen. Wahrscheinlich wartete Mr Fitzgerald gar nicht auf sie. Zu schnell hatte sie einem Treffen zugestimmt. Sie hätte sich länger zieren sollen, jetzt dachte er wahrscheinlich, sie sei leicht zu haben oder treffe sich häufiger mit Männern. Allein der Gedanke ließ sie erröten.
    Im Hof wartete der Stallbursche Paul auf sie. Die Pferde standen gesattelt bereit. Johannas Stute Star begrüßte ihre Reiterin mit leisem Wiehern. Das Tier hatte eine außergewöhnliche Farbe, rostrot, mit einer kleinen sternförmigen Blesse auf der Stirn. Seitdem Johanna sie von ihrem Vater zu ihrem sechzehnten Geburtstag geschenkt bekommen hatte, waren sie und das Pferd unzertrennlich. Angeblich war die feurige Stute viel zu ungestüm für eine junge Frau, doch Johanna liebte genau das an ihr.
    » Sie, Sie sehen bezaubernd aus, Miss « , stotterte Paul bei Johannas Anblick. Er half ihr über ein kleines Treppchen und hielt die Zügel, bis sie sich in dem Damensattel auf Star zurechtgesetzt hatte, dann stieg er selbst auf.
    Mit ihrem unfreiwilligen Bewacher im Schlepptau ging es durch vornehme Wohnviertel auf schnellstem Wege in den Park.
    Johanna überlegte krampfhaft, wie sie Paul loswerden konnte. Er würde sich nicht einfach wegschicken lassen, damit sie ihr heimliches Stelldichein mit einem schottischen Kadetten genießen konnte. Ob Liam Fitzgerald überhaupt kam? Konnte er sich einfach so aus der Akademie davonstehlen?
    Johanna hatte den Gedanken kaum zu Ende gebracht, als sie in der Ferne einen Reiter entdeckte. Er stand im Schatten einer blühenden Kastanie und ließ sein Pferd, einen Grauschimmel, grasen. Das war er, mit Sicherheit! Wenngleich sie zu weit entfernt war, um sein Gesicht zu erkennen, wusste sie es. In ihrem Magen breitete sich ein flaues Gefühl aus. Gleich würde sie bei ihm sein, und Paul ritt noch immer ahnungslos neben ihr. Er schien in Gedanken versunken.
    Star trat fleißiger aus, sobald sie die Reitbahn mit dem weichen Sandboden erreichten. Sie kannte ihre Besitzerin genau. Manchmal hatte Johanna das Gefühl, Star sei die Einzige, die sie überhaupt verstand. Lächelnd strich sie über den glänzenden Hals. Ja, Star wusste, wie aufgeregt sie war, dass ihr das Herz schier aus der Brust zu springen drohte! Die Stute tänzelte und warf sich in Positur. Pauls Pferd Don schien hingegen beinahe einzuschlafen. Das Tier war schrecklich faul, und so ungern wie Paul ritt, würde sich daran auch so schnell nichts ändern. Womöglich war genau das die Lösung!
    Liam Fitzgerald war nun nicht mehr weit entfernt. Johanna lächelte ihm schüchtern zu, und er grüßte sie mit einer angedeuteten Verbeugung. Bei dem Gedanken, ihren Plan in die Tat umzusetzen, raste Johannas Herz wie wild. Während Paul nichtsahnend einigen jungen Frauen hinterherglotzte, fasste Johanna die Zügel fester. Star merkte, dass ihre Reiterin etwas plante, und schlug unruhig mit dem Kopf.
    Johanna drehte sich zu Liam, der scheinbar unschlüssig überlegte, ob es ziemlich war, sich einfach so anzuschließen. Sie winkte ihn unauffällig heran. Sobald er losritt, schnalzte sie mit der Zunge.
    Star streckte sich. Johanna hatte gerade noch Zeit, ihre Hand in die Mähne zu graben, als die Stute auch schon fortjagte. Nur Pauls erschrockener Ruf holte sie noch ein. Auf Don hatte er keine Chance, ihr zu folgen.
    Bäume und Wiesen flogen an Johanna vorbei. Für kurze Zeit gab es nur sie, das Pferd und den Wind, der in ihren Ohren rauschte.
    Dann näherte sich schneller Hufschlag. Er wurde beständig lauter. Gegen ihren Willen breitete sich ein triumphierendes Lächeln auf ihrem Gesicht aus.
    Mund zu, gleich hast du Fliegen zwischen den Zähnen, und was soll er dann von dir denken!, spottete sie im Geiste und zog die Zügel an. » Laaangsam, langsamer, Star! « Die Stute fiel in einen gemäßigten Galopp. Liam war
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