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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)
Autoren: Carmen Lobato
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habe es doch selbst nicht gewusst.«
    »Ein Mädchen, das so verrückt nach einem Mann ist wie der Mann nach ihr, sagt seine Hochzeit nicht ab, und wenn die Welt in Flammen steht«, erwiderte er. »Dann erst recht nicht.«
    Anavera musste an ihr Gespräch mit Vicente in der Dachkammer denken. Im Grunde hatte ihr Bruder ihr dasselbe gesagt.
    »Da unten in dieser Zelle war ich an manchen Tagen selbst schon überzeugt, ich hätte den Vater von dem verdammten Lagartijo umgebracht«, sagte er. »Danach zumute war mir – nicht, weil er den Menschen, die ich liebte, das Leben zur Hölle machte, und auch nicht, weil er mich geschlagen und beleidigt hat, sondern weil er als Ausrede herhielt, damit du mich nicht heiraten musstest.«
    »Tomás, so war es doch nicht!«
    »Nein«, sagte er traurig und streichelte ihre Wange. »Du hast die Ausrede ja vor allem vor dir selbst gebraucht.«
    »Du wärst das Beste gewesen, was mir hätte passieren können.«
    Er zwang sich zu grinsen. »Womit du ohne Zweifel recht hast. Aber welche tollkühne Reiterin will schon ein Pferd, das tadellos unter dem Sattel geht, wenn sie stattdessen einen störrischen Bock haben kann? Nein, Armadillo, wer der störrische Bock ist, der mit der Liebe meines Lebens davongaloppiert, will ich nicht wissen. So weit bin ich noch nicht.«
    Danke, dachte Anavera und atmete auf.
    »Sag ihm von mir, wenn er dich schlecht behandelt, bringe ich ihn um.«
    Sie presste ihm die Hand auf den Mund, ehe der Wärter am Pförtnerhaus den Kopf wandte. »O Gott, Tomás, hast du noch nicht lange genug in diesem Kasten gesessen? Ungefähr hundert Reisende auf dem Bahnhof in Querétaro haben ausgesagt, sie hätten gehört, wie du Don Porfirio beschimpft und gedroht hast, den Militärkommandanten umzubringen.«
    Tomás befreite sich. »Don Perfidio wirst du ja nicht gerade zu meinem Nachfolger auserkoren haben«, bemerkte er. »So schlimm kann es nicht sein, dazu hast du zu viel Geschmack.«
    »Dein Wort in Gottes Ohr«, murmelte Anavera lahm.
    »Und den sogenannten Militärkommandanten hat ja ein anderer bereits erledigt. Weißt du eigentlich, wer? Pedro, die Seele von Mensch, die mein Wärter war, hat heute früh erzählt, der Täter sei gefasst.«
    »Ja, das ist er, aber wer es ist, weiß ich nicht«, log Anavera. Es war genug. Um von dem anderen Grauen zu erfahren, hatte er später noch Zeit, und sie wollte nicht die sein, die mit ihm darüber sprach. Sie wollte überhaupt nicht darüber sprechen. Es war zu erschütternd für Worte.
    »Komm«, sagte sie, »deine Eltern warten. Ich habe den Wagen meines Vaters hier.«
    »Lass mich raten. Den zum Selbstfahren?«
    Anavera nickte und wies mit dem Kopf auf den Einspänner, der am Rand der Straße wartete.
    »Und meine Mutter gibt eine Fiesta?«
    »Sie war durch nichts auf der Welt davon abzubringen.«
    Er legte den Arm um sie und setzte sich mit ihr in Bewegung. »Mach dir nicht so viele Gedanken, Armadillo. Dass du niemandem weh tun, sondern alle Welt glücklich machen willst, weiß ich. Aber das liegt nicht in deiner Macht, kleines Gürteltier.«
    Mit einem Seitenblick sah sie, dass in seinen Augen Tränen glänzten. Unendlich gern hätte sie ihm gesagt, wie großartig sie ihn fand, wie stark, wie menschlich und wie bewundernswert. Aber das nützte ihm nichts. Im schlimmsten Fall hätte es ihn sogar gekränkt. Er hatte recht, sein Glück lag nicht mehr in ihrer Macht und auch nicht mehr in ihrer Verantwortung.
    »Kommst du mit zu Mutters Fiesta?«, fragte er.
    »Wenn du willst, komme ich später«, erwiderte sie. »Ich muss erst noch mit Josefa sprechen.«
    »Wie geht es Josefa?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete sie wahrheitsgemäß. »Ich war verreist, ich habe sie seither noch nicht gesehen. Vater sagt, es geht ihr gut. Sie teilt sich ihre Wohnung mit einer Freundin und hat angefangen als Volontärin für Eduardo Devera von El Tiempo zu arbeiten.«
    »Wo warst du denn verreist?«, horchte er auf.
    »In Chichén Itzá«, antwortete sie, drehte den Kopf zur Seite und verfluchte sich, weil sie eine so völlig talentfreie Lügnerin war.
    »Nun gut«, sagte er. Sie hatten ihren Wagen erreicht. Er legte ihr die Hände auf die Schultern und drehte sie zu sich herum. »Auf Wiedersehen, mein liebster Armadillo. Nach Hause fahren musst du mich nicht, ich bin nicht krank und finde meinen Weg allein. Irgendwann, wenn es nicht mehr ganz so weh tut, frage ich dich, wo Chichén Itzá ist und was du dort gemacht hast.«
    »Aber ich kann
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