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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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Tage scheiden . Glaubst du wirklich, dass sie das wollte?«
    »Es war nicht so sehr die Frage, ob sie es wollte, sondern vielmehr, wie sie sich die Dinge vorgestellt hatte. Vermutlich konnte sie sich an keinen Zeitpunkt ihres Lebens erinnern, an dem sie sich nicht um meinen Vater gekümmert hat. Ständig hat sie sich Sorgen gemacht, was mit ihm geschehen würde, sollte ihr etwas zustoßen. Sie wusste, dass ich nicht mit
ihm umgehen konnte, und Dan würde seine Hilfe nicht anbieten.«
    »Was nun? Willst du behaupten, der alte Mann war dein Vater? Ein Geist?«
    Sie blickte zu mir hoch, dann weg zu den Büschen, die den alten Brunnen markierten.
    »Also, Mom, für den Fall, dass der alte Mann kein Gespenst ist, werde ich Ezra bitten, nach ihm zu suchen, während ich dich und Jeremy in den Pick-up verfrachte.«
    Ich eilte zur Scheune, stemmte mich in den Wind, um Ezra zu holen, da kam er mir auf halber Strecke mit Kisten entgegen. Als ich nah genug war, ihn trotz des brausenden Windes zu hören, fragte er: »Was wollte die Polizei?«
    »Das Feuer kommt direkt auf uns zu. Wir müssen weg.«
    Wir gingen zurück zum Haus. »Ich stelle den Wasserstrom aufs Dach. Möglicherweise können wir das Haus bewahren, wenn das Dach nass ist.«
    »Du meinst den Sprinkler?«
    »Ja.«
    »Gerade eben war ein alter Mann hier. Er schien verwirrt zu sein. Kannst du vorher nach ihm schauen? Es wäre schrecklich, wenn er in diesem Chaos ziellos herumwandert.« Ich zeigte mit einer ausladenden Handbewegung auf den Rauch, der uns umgab und die Sicht auf Judes Haus raubte.
    Ich ging hinein und half meiner Mutter, ihre letzten Sachen zu packen, dann trugen wir Jeremy hinaus in den Pick-up, wo ich die Handtasche meiner Großmutter auf den Vordersitz warf. Meine Mutter befestigte Harrisons Leine im Innern des Wagens, damit die Katze nicht weglaufen konnte, sobald wir die Tür öffneten, dem Kätzchen jedoch gestattete sie, vom Sitz auf den Boden zu hüpfen, wo es getrockneten Schlammklumpen nachjagte.

    »Ezra!«, rief ich. »Ezra?« Meine Stimme wurde vom Wind fortgetragen. Der Rauch verwandelte den Tag in ein dunkles Zwielicht, und die Düsternis verschluckte sogar die Sicht auf unsere eigene Scheune.
    »Da ist er«, sagte meine Mutter und zeigte auf den stillgelegten Brunnen, wo eine Gestalt zu sehen war und im nächsten Augenblick verschwand, auftauchte und dann von den hochwirbelnden Rauchwolken wieder verdeckt wurde. Ich konnte das Knistern der Bäume hören, die in den Bergen über uns brannten.
    »Ezra?«, fragte ich und kniff die Augen zusammen.
    »Nein.«
    »Der alte Mann. Ich sollte ihn wohl besser holen.«
    »Das ist zwecklos«, erwiderte meine Mutter. »Du wirst ihn nicht finden.«
    »Ich bin sicher, ich kann ihn einholen.«
    »Er ist nicht das, wofür du ihn hältst.«
    »Du denkst doch nicht wirklich, dass er ein Geist ist?« Ich nahm ihre Hand und griff ebenfalls nach Jeremys. »Kommt mit mir. Er ist einfach nur eine alte Seele, vom Feuer verwirrt. Ihr könnt mir helfen, ihn zurückzubringen.« Aber als wir den Brunnen erreichten, war der alte Mann verschwunden. Ich suchte die Pappeln, Wildrosen und Schneebeeren ab, die sich im Wind um den Brunnen wiegten, und nahm die verrotteten Bretter in Augenschein, mit denen er abgedeckt war. »Wo ist er?«, fragte ich.
    »Da!« Jeremy zeigte auf Judes Haus, vor dem eine dunkle Gestalt im Rauch stand.
    »Verstehst du es jetzt?«, sagte meine Mutter. »Wir werden ihn nie einholen.«
    »Hallo!«, rief ich. »Warten Sie!«
    Ich ging nun schneller, nahm tiefe, rasche Atemzüge, um
trotz des Rauchs genügend Luft zu bekommen. Als ich Judes Hof erreichte, wartete ich, bis Jeremy und meine Mutter mich einholten. »Und wo zum Teufel steckt er nun schon wieder?«
    »Beim unfertigen Haus«, antwortete meine Mutter.
    Er stand neben der Tür. Die breite Krempe seines Hutes zeichnete sich dunkel gegen das Licht ab, das durch das Fenster hinter ihm fiel. »Jetzt haben wir ihn«, sagte ich. Doch kaum hatten wir das Haus erreicht, war es leer. Mein Blick fiel auf die Graffiti an der Wand: Hier wohne ich .
    »Glaubst du mir jetzt?«, fragte meine Mutter.
    »Er muss hier sein.«
    »Nein«, sagte sie. »Es war mein Vater.«
    »Mom, dein Vater ist seit fast fünfunddreißig Jahren tot.«
    Ich hielt Jeremys Hand und folgte meiner Mutter in den Raum, der wahrscheinlich als Wohnzimmer gedient hätte, überzeugt, den alten Mann dort vorzufinden, aber dort war er nicht. Die schimmlige Matratze auf dem Boden. Die
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