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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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wurde ihr Briefkasten mit Reklamesendungen überflutet. Aber manchmal gewann sie sogar. Etwa eine Porzellan-Geisha von einem Preisausschreiben, das sie auf einer Mandarinenkiste gefunden hatte, einen Grill von einem Lebensmittelladen aus der Gegend, einen Hometrainer von einem Sportgeschäft. Diese Gegenstände standen unbenutzt im Haus herum, zogen Staub und Katzenhaare an. Meine Mutter verschenkte sie leider nicht, was Val und ich sehr begrüßt hätten.

    Ezra, Jeremy und ich waren früh am Abend im Turtle Valley angekommen, nachdem wir den ganzen Tag von unserer Farm außerhalb von Cochrane in Alberta hierhergefahren waren, um meinen Eltern beim Verladen ihrer Habseligkeiten und mit den Tieren zu helfen. In Salmon Arm bemerkten wir eine Horde Touristen am Kai, die dem Martin-Mars-Wasserbomber zusahen, wie er Wasser vom Shuswap Lake aufnahm, um es später über dem Feuer abzuwerfen. Vor dem Fastfood-Restaurant Tim Hortons, an dem wir hielten, um die Toiletten zu benutzen und Donuts zu kaufen, hatten sich zwanzig oder noch mehr Feuerwehrmänner in voller Montur versammelt. Als wir Turtle Valley erreichten und vom Straßenpflaster auf den rötlichen Schotter der Blood Road bogen, sahen wir Nachbarn draußen im Freien auf Gartenstühlen sitzen, Bier trinken und das Feuer beobachten, das über die Bergkuppe kroch. Die Sonne, die sich nur schwach durch die Rauchschwaden kämpfte, warf ein zartes gelbliches Licht auf die Bäume an den Hängen, die Weiden entlang des Flussufers und die Farmhäuser in der schmalen Talsohle. Auf einem Rasenstück hüpften Kinder auf einem Trampolin, während ein feiner Ascheregen herabrieselte.
    Ich schaltete den Herd aus, goss die Milch in eine Tasse und ging zum Fenster, wo ich eine Weile stehen blieb und zu Judes Hof starrte. Er trug eine weitere Kiste zum Pick-up, um seine Habseligkeiten an einem sicheren Ort zwischenzulagern und sie aus den Klauen des Feuers zu retten, genau wie wir. Ich hatte schon seit fast sechs Jahren nicht mehr mit ihm gesprochen. Früher war er jedes Mal auf eine Tasse Kaffee vorbeigekommen, wenn er unseren Wagen in der Einfahrt gesehen hatte. Aber sein letzter Besuch war unser erster seit Ezras Schlaganfall gewesen. Damals hatte Ezra noch oft verwirrt dahergeredet, und alles, was ihm durch den Kopf ging, war
einfach aus ihm herausgeplatzt. Während einer kurzen Gesprächspause hatte er Jude anklagend gefragt: »Du kommst doch bloß rüber, um Kat anzuglotzen, nicht wahr?«
    Jude errötete. »Nun, ja, ich bin hier, um Kat zu sehen. Und dich und Gus und Beth.«
    Ich legte meine Hand auf Ezras. »Er besucht Mom und Dad sehr häufig. Er ist nicht nur gekommen, um mich zu sehen.«
    »Du willst sie doch immer noch!«
    Jude schob den Stuhl zurück. »Vielleicht sollte ich lieber gehen.«
    »Nein, bitte, Jude«, sagte ich. »Er weiß nicht, was er da sagt. Das ist der Schlaganfall.«
    »Schon in Ordnung. Lillian erwartet mich sowieso zum Mittagessen. Es war schön, dich zu sehen, Kat.« Er nickte. »Ezra.« Ich beobachtete, wie er zu seinem Haus zurückschlenderte und dem Pfad folgte, der sich am alten Brunnen vorbeischlängelte. Nach diesem Zwischenfall winkte ich Jude zwar jedes Mal zu, wenn ich ihn in der Stadt sah oder auf dem Rückweg zu meinen Eltern an seiner Farm vorbeifuhr, aber er kam während meiner Besuche nicht mehr auf einen Kaffee vorbei, und ich traute mich nie, ihm oder Lillian gegenüberzutreten, auf einen Sprung bei ihnen vorbeizuschauen und Hallo zu sagen.
    Der Feuerlöscher rutschte von seiner Halterung an der Wand und fiel laut polternd in die offene Kiste darunter. Erschrocken drehte ich mich um, in der Erwartung, meine Mutter zu sehen, die häufig gegen den Feuerlöscher stieß, wenn sie ihr Zimmer verließ, aber dort war niemand. Ich lauschte einen Moment, um herauszufinden, ob der Lärm Jeremy geweckt hatte, doch das Haus blieb ruhig.
    Als ich den Feuerlöscher aufhob, um ihn wieder an die Wand zu hängen, stach mir die Handtasche meiner Großmutter
ins Auge, die unter einem Stapel Notizbücher meiner Mutter aus einer Kiste hervorlugte. Diese Handtasche trug meine Großmutter auf der letzten Fotografie, die es von ihr gab, einem Bild, das von einem Straßenfotografen geschossen worden war, der seinen Lebensunterhalt damit verdiente, Schnappschüsse von Menschen zu machen, die auf dem Bürgersteig in Kamloops spazieren gingen. Sie hatte nicht damit gerechnet, fotografiert zu werden - ihre Stirn war gefurcht, ihr Gesicht angespannt. Meine Mutter
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