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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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zu den Haubenfedern des Diademhähers, der gerade die Knospe einer Sonnenblume vertilgt. Val meinte, sie fände diese verlorenen Seelen stets eine oder zwei Meilen von deren Zuhause entfernt, wo sie oft auf dem Erdboden lägen, im Schlaf zusammengerollt.
    »Wie Mrs. Simms«, sagte meine Mutter.
    »Ja.« Mrs. Simms war früher meine Babysitterin gewesen und brauchte jetzt selbst jemanden, der sie betreute. Im letzten Frühling war sie eines Nachmittags zum Haus meiner Eltern gekommen. Mom hatte sie auf der Veranda gefunden, wo sie schwankend durch die Fliegengittertür geschaut hatte. Der Ausdruck auf dem Gesicht der Frau , hatte meine Mutter in ihrem Fax geschrieben, war der eines Kaninchens, gefangen im Scheinwerferlicht eines Autos .
    »Als ich zurück zum Haus lief, waren alle Herdplatten angeschaltet.«
    Meine Mutter berührte ihre Wange. »Hattest du den Herd benutzt?«
    »Ich hatte mir eine heiße Milch gemacht. Aber ich hätte niemals alle Platten angestellt.«
    »Ich habe es schon mal getan und es dann vergessen«, sagte
meine Mutter. »Oder wenigstens denke ich, dass ich es vergessen habe.«
    »Das bist doch nicht etwa du gewesen, oder? Mit dem Herd?«, fragte ich ungläubig.
    »Val behauptet, mir passieren solche Sachen ständig. Manchmal komme ich in die Küche, und der Herd ist an. Ich kann mich aber nicht erinnern, ihn eingeschaltet zu haben. Es ist ein sonderbares Gefühl, so vergesslich zu sein. Als würde noch eine andere Person im Haus leben, eine Person, die ich nie sehe, die jedoch Dinge tut, die mir dann auffallen.«
    »Ein Geist.«
    »Buh!«, rief Jeremy.
    »Könnte es Jeremy gewesen sein?«, fragte mein Vater. »Der den Herd angeschaltet hat?«
    »Zuerst habe ich überprüft, ob bei ihm alles in Ordnung ist. Er schlief tief und fest. Ihr habt alle geschlafen.« Ich steckte eine Brotscheibe in den Toaster. »Ezra könnte schlafgewandelt haben. Das hat er schon mal getan.« In den Wochen nach seinem Schlaganfall vor sechs Jahren war er nachts aufgestanden und hatte in unseren Wandschrank uriniert, da er ihn wahrscheinlich für das Badezimmer gehalten hatte. Ich sah ihn im Halbdunkel, in der erotischen Stellung eines pinkelnden Mannes. Am nächsten Morgen habe ich den Fleck mit Nature’s Miracle aus dem Teppich geschrubbt, einem Reiniger, den ich in der Zoohandlung gekauft hatte, um die schmutzigen Hinterlassenschaften vom Hund des Vorbesitzers zu beseitigen. Ich erzählte es Ezra nie. Er hatte schon zu viele Erniedrigungen über sich ergehen lassen müssen.
    »Wir sollten heute Abend lieber alle Türen absperren«, sagte mein Vater. »In Zeiten wie diesen gibt es auch immer Plünderer.«
    »Hat etwas gefehlt?«, fragte meine Mutter.

    Ich deutete auf das Durcheinander aus Taschen und Kisten auf dem Boden um uns herum. »Keine Ahnung.«
    Meine Mutter erhob sich leicht unsicher aus dem Schaukelstuhl, der daraufhin vor- und zurückwippte, und schnappte sich den Besen aus der Ecke. Während sie die Flächen fegte, die nicht mit Kisten vollgestellt waren, wurden Katzenhaare in den Lichtstrahl hochgewirbelt, der vom Fenster hereinfiel. Im Fernseher wetterte Judge Judy unbeirrt weiter. »Ich hatte noch aufräumen wollen, bevor du kommst.«
    »Kein Problem, Mom.«
    »Die Putzfrauen sind seit mehreren Wochen nicht gekommen.«
    »Eigentlich schon seit ein paar Monaten. Es tut mir leid, dass ich sie abbestellen musste.«
    »Oh, nun ja, es ist besser, wenn sie nicht mehr kommen. Val kann jederzeit hierherfahren und helfen. Es kostet sie fast zweihundert Dollar im Monat, damit Penny und Carol weiterhin kämen - wusstest du das?«
    Ich sah rasch zu meinem Vater, der kurz nickte, als wolle er sagen: Ich weiß . Ich hatte nicht geahnt, dass meine Mutter so vergesslich geworden war. » Ich habe die Putzfrauen bezahlt, Mom«, sagte ich. »Ich konnte es mir nur einfach nicht mehr leisten, nachdem Ezra seinen letzten Job verloren hat.«
    »Das Haus sieht so jedenfalls besser aus«, sagte sie. »Findest du nicht auch?«
    Ich blickte mich mit ihr im Zimmer um, sagte jedoch nichts. Fast jedes Mal, wenn ich nach Hause kam, hatte meine Mutter etwas im Haus verändert. Einmal hatte sie ein Sofa hinausgeworfen und stattdessen zwei Sessel aufgestellt oder die Badezimmerwände grün gestrichen, nur um sie vor meinem nächsten Besuch blau zu übertünchen. Dieses Mal hatte sie oben an der Küchenwand eine Zierleiste angebracht: Sonnenblumen
und Hähne. Jede Renovierung meiner Mutter, Schicht um Schicht, hatte das Haus meiner
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