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Im Tal der Mangobäume

Im Tal der Mangobäume

Titel: Im Tal der Mangobäume
Autoren: Patricia Shaw
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Delia sich auf dem nächsten Stuhl nieder, und zwar kerzengerade, ohne stützende Kissen. Rosa wünschte, der Arzt könnte sie so sehen.
    »Du möchtest zu mir kommen und bei mir wohnen, verstehe ich das richtig?«, fragte ihr Vater.
    Rosa saß stumm und mit roten Wangen da. Hatte Delia gelogen? Das war ihr durchaus zuzutrauen. Aber wollte ihr Vater sie denn bei sich haben? Allzu begeistert klang er nicht. Ihre Miene verdüsterte sich.
    »Ich kann kein Spanisch.«
    »In den australischen Kolonien wird Englisch gesprochen.«
    »Ich dachte, du würdest in Argentinien leben?«
    Er warf Delia einen gereizten Blick zu und schüttelte den Kopf. »Ich komme zwar ursprünglich aus Argentinien und wir haben in diesem Land auch Familie und Besitz. Aber zu Hause bin ich auf der Rosario-Farm, nördlich von Brisbane.«
    »Rosario?«, rief Rosa entzückt. »Hast du dein Haus nach mir benannt?«
    »Mehr als ein Haus«, schnaubte Delia. »Das Ganze hat die Größe einer Grafschaft. Einer großen, leeren Grafschaft!«
    »Ja, das habe ich. Nun gehen deine Mutter und ich zum Tee an den Grosvenor Square, der, so habe ich mir sagen lassen, sehr schön sein soll. Wenn du Lust hättest mitzukommen, könnten wir uns dort weiter unterhalten.«
    »Zum Grosvenor?«, rief Rosa. »Sehr gern sogar!«
    »Unmöglich, sie hat nichts zum Anziehen«, wandte Delia ein und zog ihre Handschuhe glatt.
    »Wie bitte?« Juan klang verärgert, und Rosa wich auf ihrem Stuhl zurück. Aber Delia erhob sich.
    »Wie schon gesagt, sie hat nichts anzuziehen, und sie ist zu jung.«
    Ihr Vater schien Delia keinen Glauben zu schenken. Er wandte sich an Rosa. »Hast du denn kein hübsches Sommerkleid und einen Hut?«
    »Nein.«
    »Dann gehen wir eben erst morgen dorthin.«
    »Kommt nicht in Frage!«, schrie Delia.
    »Wir gehen morgen«, wiederholte er. »Ich bin gleich in der Früh da, Rosa, und dann machen wir ein paar Einkäufe, damit du uns begleiten kannst.«
    »Morgen könnte ich einen schlechten Tag haben«, wandte Delia ein.
    »Dann bleib zu Hause«, gab er wütend zurück. »Ich kann es nicht glauben, dass meine Tochter keine standesgemäße Garderobe besitzt. Verzeih, Rosa, dass ich es zugelassen habe, dass es dazu kam. Passt es dir morgen um zehn?«
    »Ja«, hauchte sie glückselig.
    Als Juan am nächsten Morgen Punkt zehn Uhr eintraf, blieb Delia im Bett, doch das kümmerte ihn nicht. Er fuhr mit seiner Tochter zu vornehmen Läden in der Bond Street und kaufte ihr schachtelweise Hüte und Kleider, die allesamt zu einer wartenden Kutsche gebracht wurden.
    Rosa schwieg schüchtern, als auch noch Reisegarderobe zu den Einkäufen hinzukam. Offensichtlich stand für Juan bereits fest, dass sie mit ihm zurückkehren würde, aber sie war derart überwältigt von all den Kleidern, dass sie sich nur zu gern dazu bereit erklärte. Nicht, dass sie gefragt worden wäre.
    An diesem Nachmittag trug sie ein weißes Empire-Kleid aus Schweizer Baumwolle mit rosa Besatz und eine leichte Damenhaube aus Stroh, die mit den wenigen rosa Rosen unter der Krempe in ihren Augen reichlich schlicht aussah, die die Dame in dem Laden jedoch für perfekt erklärt hatte. Juan hatte ihr zugestimmt.
    Delia, die bei der Anlieferung der ganzen Einkäufe in Wut geraten war, meinte, für so etwas sei das Kind noch zu jung. Rosa war sich unsicher, wer recht hatte, doch eigentlich kümmerte sie es auch nicht. Sie war so glücklich, dass sie zum vornehmen Nachmittagstee an den Grosvenor Square ausgeführt würde!
    Widersprüchlich wie immer, warf Delia Juan schließlich vor, ihr Rosa wegnehmen zu wollen, indem er sie mit billigem Putz besteche.
    »Die Sachen waren nicht billig, Mutter, glaub mir«, flüsterte Rosa.
    »Sei still, du törichtes Ding.«
    »Es reicht, Delia«, mahnte ihr Mann leise. »Benimm dich. Du gibst dem Kind ein schlechtes Vorbild. Man streitet sich nicht in der Öffentlichkeit.«
    »Dann gehe ich zu meinem Anwalt«, entgegnete Delia. »Streite dich doch mit dem herum!«
    Rosa sah, wie in seinen Augen erneut Zorn aufglomm, und bemerkte fasziniert, dass dieser nette, höfliche Mann seine Frau nicht leiden konnte. Rosa konnte es ihm nicht verdenken. Ihre Mutter war eine echte Nervensäge. Sie fragte sich, warum er sie überhaupt geheiratet hatte. Ihres guten Aussehens wegen, nahm sie an. Leute, die Delia von ihrer besten Seite kennenlernten, waren stets von ihr bezaubert.
    Ohne sich um Delias Androhung bezüglich des Anwalts zu kümmern, bot er Rosa ruhig die silberne Kuchenetagere
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