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Im Tal der Mangobäume

Im Tal der Mangobäume

Titel: Im Tal der Mangobäume
Autoren: Patricia Shaw
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ihrem Mann?«, wollte Paul wissen. »Der hat hier nichts verloren.«
    Guringjas Blick wurde ausdruckslos. »Kein Mann, Boss.«
    »Jetzt lass den Unsinn. Er lauert irgendwo da drüben. Sie weiß, dass er hier ist.«
    »Ah! Das niemand, Boss. Niemand.«
    »Sie hat gesagt, er ist ihr Ehemann«, knurrte Sam ihn an. »Ich habe es selbst gehört.«
    Paul wandte sich an Sadie. »Du hast ihn doch gesehen, als ihr hierher gelaufen seid, oder? Du musst ihn doch …«
    Sie schüttelte den Kopf und stapfte zu der Frau hinüber. »Wo ist dein Mann?«
    »Er weggegangen«, erwiderte Wiradji traurig.
    »Wohin?«, wollte Paul wissen, aber Guringja packte Sadie am Arm. Er flüsterte ihr etwas zu, und sie erbleichte.
    »Mr.Paul«, sagte sie leise. »Besser, wir nehmen sie zum Lager, ja?«
    »Erst, wenn ich weiß, wohin ihr Mann verschwunden ist! Ich will nicht, dass er hier herumlungert!«
    Sadie seufzte und ging zu Paul hinüber. Sie tätschelte sanft sein Pferd und sprach so leise, dass er sich zu ihr hinunterbeugen musste, um sie zu verstehen.
    »Kein Ehemann hier. Er gekämpft in großem Krieg. Wurde getötet. Für sie schwierige Zeit.«
    »Bitte? Was für ein Blödsinn! Er war hier! Wir haben ihn gesehen!«
    Sadie senkte den Blick und rieb sich den Nacken, offensichtlich darauf erpicht, das Thema fallenzulassen.
    Automatisch kratzte Paul sich ebenfalls am Nacken, womöglich aus demselben Grund. Die Haare dort pieksten wie Nadeln, und er erschauerte. Einen Augenblick lang war er völlig ratlos.
    Noah rutschte nervös auf seinem Sattel herum. »Versuchen die uns weiszumachen, der schwarze Bursche wäre gar nicht da gewesen?«
    »Nein«, entgegnete Paul. »Das ist nur ihr übliches doppelzüngiges Gerede.«
    »Wo ist er überhaupt hin?«
    »Was weiß ich!«, erwiderte Paul gereizt. »Plötzlich war er weg. Sagt mir Bescheid, wenn er sich noch mal blicken lässt.«
    Er nickte in Richtung der kleinen Gruppe von Aborigines. »Na dann! Bringt sie nach oben in euer Lager. Sie sieht aus, als bräuchte sie dringend was in den Magen.«
    Die drei Männer ritten davon, und Sam lachte. »Wenn Noah diesen Ehemann je wieder zu Gesicht kriegt, gibt er garantiert Fersengeld!«
    »Und was ist mit dir?«, fragte Paul.
    Sam zuckte mit den Schultern. »Mit mir? Ich habe niemanden gesehen.«

[home]
    Kapitel 1
    Brisbane, 1878
    Von dem Ereignis angelockt, standen an diesem schwülheißen Vormittag Scharen Schaulustiger geduldig vor der St.-Stephen’s-Kathedrale und atmeten die von Frangipaniwolken geschwängerte Luft ein. Für gewöhnlich hätten die butterweißen Blüten einen zarteren Duft verströmt, doch der vormals niedrige Baum neben dem Kirchenportal war zu einem großen und herrlichen Exemplar herangewachsen und wirkte in seiner Fülle von zierlichen Blüten nun fast schon vulgär. Die Bewohner des frisch zur Stadt gekürten Brisbane waren stolz auf den Baum, wie auch auf die hohen Palmen, die prächtigen purpurroten Jacarandas und die mächtigen Moreton-Bay-Feigenbäume, die ihre Straßen beschatteten. Und das, obwohl die Natur in dieser subtropischen Lage fast ein bisschen »zu viel« war, wie vornehme Neuankömmlinge hinter ihren Fächern zu sagen pflegten und sich damit von den früheren Siedlern abzusetzen versuchten, denen die Gegend als die berüchtigte Moreton-Bay-Strafkolonie bekannt gewesen war.
    Nun ja. Nicht gerade die respektabelste Gründung. Doch nachdem diese Einrichtung geschlossen und der Ort in »Brisbane« umbenannt worden war, gewann er allmählich an Ansehen.
    Die Straßen waren in einer Richtung nach englischen Königen, in der anderen nach englischen Königinnen benannt worden: Elizabeth Street – die mit der Kathedrale aufwarten konnte –, Charlotte Street und so fort. Entlang dem Ufer des breiten Flusses war ein botanischer Garten entstanden, und stolze öffentliche Gebäude, wie das Parlament und das stattliche Museum, sorgten für einen würdigen Anstrich.
    Schon immer hatte die Elite der australischen Kolonien aus den reichen Siedlern bestanden, die früh genug hergekommen waren, um noch riesige Gebiete für die Schafzucht an sich reißen zu können. In Brisbane trat jedoch eine weitere mächtige Gruppe in Erscheinung: die Rinderzüchter, die mit ihren Herden nordwärts in die wilde und weitgehend unerforschte Kolonie Queensland vordrangen.
    Nach Schätzungen der Seefahrer, die stets auf der Hut vor den Riffen an den Ufern dieser Kolonie waren, belief sich die Länge der Küste auf mehr als dreitausend Meilen.
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