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Im Tal der Mangobäume

Im Tal der Mangobäume

Titel: Im Tal der Mangobäume
Autoren: Patricia Shaw
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war er überaus charmant –, dennoch hatte es sie überrascht, als Dolour ihn so bald nach Pace’ Tod geheiratet hatte.
    »Wer ist das denn?«, fragte Lucy Mae, als eine Kutsche vor der Kirche hielt und ihr eine junge Frau, die statt eines Hutes einen schwarzen Spitzenschleier trug, entstieg.
    »Dolours Stieftochter Rosa«, erwiderte Milly. Ringsum drängten die Leute nach vorn, um einen besseren Blick auf den Liebling der Gesellschaftsseiten, auf denen sie ungeachtet ihrer argentinischen Herkunft oft als »die spanische Schönheit« betitelt wurde, zu haben. »Und das ist ihr Mann, Charlie Palliser. Ein berühmter Chirurg.«
    Lucy Mae seufzte. »Was für ein schönes Kleid. So elegant!«
    »Importiert!«, bemerkte ihre Mutter und warf einen Blick auf Lucy Maes Garderobe. »Du könntest mal wieder etwas neues Schwarzes gebrauchen. Dieses Kleid ist dir zu weit. Bringt deine Formen gar nicht zur Geltung.«
    »Seit Russ’ Tod habe ich abgenommen.«
    »Macht nichts, das steht dir. Morgen gehen wir einkaufen.«
    Milly beobachtete, wie Rosa Palliser eine Frangipaniblüte pflückte, an ihr schnupperte und sie dann wieder fortwarf, ehe sie mit ihrem Mann die Kirche betrat.
    »Typisch!«, schnaubte sie.
    »Was denn?«
    »Ach, nichts. Du meine Güte, da kommt Juan!«
    Milly verfolgte, wie Rivadavia mit gesenktem Kopf und ohne jemanden eines Blickes zu würdigen die Treppe hinaufeilte. Er sah müde und abgespannt aus, fand sie, jedoch genauso charmant und gutaussehend wie immer. Eines, dachte sie lächelnd, musste man Dolour lassen: Sie hatte sich zwei der bestaussehenden Männer ihrer Zeit geangelt. Dabei war sie doch nur ein kleines irisches Sträflingsmädchen gewesen. Das wussten die wenigsten, auch wenn es Dolour nicht gestört hätte. Sie war, weiß Gott, immer ihren eigenen Weg gegangen!
    Erneut kam in der Menge Bewegung auf, als die reichverzierte Kutsche des Gouverneurs eintraf. Einer der livrierten Lakaien sprang hinab und stellte einen Schemel vor die Tür, um sodann dem Gouverneur, dem Marquis von Normanby, und seiner Gattin herauszuhelfen.
    Jemand klatschte und wurde von der Marquise auf ihrem kurzen Weg zur Kirche mit einem finsteren Blick bedacht. Ihr Gatte, von dessen puterrotem Gesicht unter dem großen, mit Federn geschmückten Hut Schweiß troff, scheuchte sie vorwärts, aber das Interesse hatte sich ohnehin schon auf einen Herrn verlagert, der über die Straße gestürmt kam.
    »Habe dir doch gesagt, dass heute alles von Rang und Namen da sein wird.« Milly stupste ihre Tochter an, als sich der Premierminister von Queensland näherte und den glücklichen Leuten in der ersten Reihe die Hände schüttelte. Bei Milly angekommen, blieb er stehen.
    »Du meine Güte! Sie sind’s, Mrs.Forrest! Was tun Sie denn hier draußen in der Hitze?«
    »Äh, ich warte, Mr.Palmer«, stammelte Milly. »Es ist so schwierig. Die vielen Menschen … Wir wollten soeben … Kennen Sie meine Tochter Lucy Mae?«
    »Aber gewiss doch! Mrs.Bartling! Nun kommen Sie, meine Damen. Ich begleite Sie persönlich hinein.«
    Genau in diesem Augenblick trafen die MacNamaras, John Pace und Paul, mit ihren Familien und etlichen Freunden ein und waren im Nu von Leuten umringt, die sie bekümmert begrüßen wollten. Schließlich bewegten sie sich langsam in die duftgeschwängerte Düsterkeit der Kirche, einschließlich des Premierministers, Sir Arthur Palmer, mit Lucy Mae am Arm.
    Damit war es mit Millys Fassung dahin. Denn nun sah sie den Sarg, bedeckt mit Kränzen und flankiert von Kerzenständern. Das war zu viel für sie. Das war Dolour! Ihre beste Freundin!
    Sie brach in Tränen aus, schluchzte hemmungslos und stolperte dabei in die Arme eines in der Nähe stehenden Herrn. Und als sie nun Duke MacNamara erkannte, Dolours jüngsten Sohn, der seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten war, weinte sie noch mehr.
    Der Chor stimmte »Glaube unserer Väter …« an.
    »Oh! Verzeih, Duke«, stieß Milly hervor. »Vielleicht gehe ich besser hinaus. Ich sorge hier nur für Unruhe.«
    »Nein, Milly, schon gut. Wir stehen einander bei. Würdest du mit mir zusammen den Gang hinuntergehen? Mutter würde das bestimmt gefallen.«
    Bei seinen Worten hätte Milly beinahe wieder aufgeschluchzt, doch sie holte tief Luft und fasste sich. Duke bot ihr den Arm.
    Als Milly sich umwandte, sah sie, wie noch mehr Leute in die Kirche strömten und sich in den Seitenflügeln verteilten, und dann entdeckte sie im Licht der offenen Tür, ganz flüchtig, die
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