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Im Tal der Mangobäume

Im Tal der Mangobäume

Titel: Im Tal der Mangobäume
Autoren: Patricia Shaw
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Das Land dahinter war unbekannt, bis der deutsche Forschungsreisende Leichhardt von ausgedehnten Ebenen berichtete, die durch eine Reihe schöner Flüsse üppig bewässert wurden.
    »Ein Land des Überflusses, und im Überfluss für alle«, lautete die Parole, und schon drängte man landeinwärts, wo die Entdeckung, dass die Eigentümer dieser fruchtbaren Weiden nicht zu weichen bereit waren und sich mit äußerster Brutalität gegen die Eindringlinge wehrten, ihnen unvermittelt Einhalt gebot.
    Doch die ehrgeizigen weißen Siedler wähnten sich im Recht.
    »Hier gibt es weder Häuser noch Städte«, erklärten sie. »Niemand wohnt hier, weshalb es uns freisteht, das Land in Besitz zu nehmen.«
    Darauf hingewiesen, dass hier Menschen wohnten, Aborigines, versetzten sie: »Von wegen! Das sind nur Nomaden. Es gibt keine Grenzen und weit und breit kein Dorf.«
    Besagtes Flussgebiet war der Treffpunkt dreier Völker, der Udangi, Jagaro und Jukame, sowie der jeweiligen Stämme. In ihren Augen waren die Grenzen der Völker völlig eindeutig, und diesbezügliche Gesetze mussten respektiert werden. Kein vernünftiger Mensch betrat ohne Einladung oder Erlaubnis das Territorium eines anderen. So etwas war äußerst gefährlich und konnte schlimme Auswirkungen haben. Diese Gesetze galten auch, als die Weißen plötzlich auftauchten. Es kam zu Racheakten.
    Dennoch drangen die Weißen mitsamt ihren erstaunlichen Waffen weiter ein. Sie machten das Land einfach nur »zugänglich«.
    Die Aborigines hatten dafür einen anderen Begriff. Sie nannten es Krieg.
    Vor gar nicht langer Zeit war der Widerstandsheld der Aborigines, Dundalli, unweit der Kathedrale – vor dem Hauptpostamt, um genau zu sein – gehängt worden. Aus Rache töteten die Schwarzen Captain Logan, den Kommandanten der Strafkolonie. Was in den Augen der Strafgefangenen, die unter seiner harten Knute gelitten und ihn für ein wahres Ungeheuer gehalten hatten, durchaus etwas für sich hatte.
    Dann bewegte sich der Krieg mit der Welle der Siedler weiter nach Norden und Westen und geriet in Brisbane weitgehend in Vergessenheit. Milly Forrest jedoch, die sich mit ihrer Tochter Lucy Mae in der Zuschauermenge vor der Kirche befand, rückte er sehr wohl ins Bewusstsein. Sie waren hier, um am Trauergottesdienst für ihre liebe Freundin Dolour Rivadavia teilzunehmen.
    Bei der Erinnerung an Dolours ersten Mann, Pace MacNamara, der hoch im Norden von Schwarzen getötet worden war, tupfte Milly, eine gefühlsselige Frau, sich die Augen. Wie lange ihre Freundschaft doch zurückreichte, dachte sie traurig. Pace war mit demselben Schiff in die Kolonie gekommen wie Milly und ihr verstorbener Ehemann Dermott. Damals waren sie alle drei jung gewesen und begierig auf ein neues Leben.
    Sie schluchzte verhalten auf. Alle hatten sie Erfolg gehabt. Ausgerechnet in der Viehzucht. Zunächst als Farmverwalter, dann mit eigenem Besitz. Zu Beginn war das Leben im Outback für ein kleines englisches Mädchen wie Milly allerdings äußerst hart gewesen. Schließlich war sie nie über die Vororte Manchesters hinausgekommen, bis ihr geliebter Dermott ihr Herz im Sturm erobert und sie in diese fremde Welt entführt hatte.
    Es war Dolour, eine energische Irin, die sie gelehrt hatte, die Ellenbogen zu gebrauchen, erinnerte sich Milly. Und Dolour war es auch, die zur Stelle war, als sie und Dermott in Bedrängnis geraten waren. Gerade mal zwei Jahre zuvor, als alles so gut lief, als sie sich in ihrem entzückenden Haus mit Blick auf den Fluss zur Ruhe gesetzt hatten, war Dermott an Diphtherie erkrankt und hatte innerhalb kurzer Zeit sein Leben ausgehaucht.
    Milly seufzte. Noch immer hatte sie diesen Schicksalsschlag nicht verwunden. Und dann war Lucy Maes Ehemann, dieser Halunke Bartling, bei einem Schiffsunglück vor Fraser Island ums Leben gekommen. Wahrlich kein Verlust, wohingegen sie bei der Nachricht, dass Dolour am gefürchteten Krebs erkrankt sei und im Sterben liege, am Boden zerstört gewesen war.
    »Sollten wir nicht besser hineingehen?«, fragte Lucy Mae.
    »Noch nicht«, zischte Milly. Sie wollte noch weitere Ankömmlinge in Augenschein nehmen. Saß man erst einmal vorn auf der Kirchenbank der Familie, mit dem Rücken zur Gemeinde, bekam man kaum noch etwas mit.
    Juan Rivadavia war ein einflussreicher Bürger geworden. Der argentinische Viehzüchter war vor vielen Jahren hergekommen und hatte umgehend Grund und Boden erworben. Milly hatte immer etwas für ihn übrig gehabt – zweifelsohne
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