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Im Tal der Mangobäume

Im Tal der Mangobäume

Titel: Im Tal der Mangobäume
Autoren: Patricia Shaw
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an.
    »Hast du mich gehört?«, hakte Delia nach.
    »Ja, meine Liebe. Mach, was du willst.«
    Als wäre die Anwaltsgeschichte ein Bluff gewesen, schien Delia nach diesen Worten in sich zusammenzusinken, und sie tat Rosa ein wenig leid.
     
    Die Schrankkoffer waren gepackt. Rosas Anstandsdame und Erzieherin, eine junge Witwe namens Lark Pilgrim, die bereit war, mit ihnen zu reisen, war ins Haus gezogen. Delia, die behauptete, Lark sei die Hure ihres Mannes, der Rosa als Ausrede benutze, um mit dieser Frau zu reisen, blieb auf ihrem Zimmer.
    Die Haushälterin war peinlich berührt. Sie erklärte Lark, ihre Herrin könne sie nicht empfangen, weil sie die bevorstehende Abreise der Tochter so belaste.
    Rosa wusste nicht, wie sie sich in dieser Situation verhalten sollte. Zum ersten Mal hatte sie das Wort »Hure« ausgesprochen gehört, und der Schock kam einer Ohrfeige gleich. Ob das wahr sein könnte? War Lark die Geliebte ihres Vaters?
    Schließlich fragte sie die Haushälterin, die entgegnete: »Ganz gewiss nicht!«
    Rosa musste sich für den Abreisetag wappnen. Wie erwartet, war Delia an diesem Morgen hysterisch, rannte in ihrem Morgenmantel herum, weinte und schrie an der Haustür. Obgleich sie derlei Anfälle schon kannte und ihr klar war, dass ihre Mutter zur Teezeit darüber hinweg sein würde, weinte Rosa auch: vor Schuldgefühlen über ihre große Freude, sich mit dem angebeteten Vater zu diesem großen Abenteuer aufmachen zu dürfen.
    Was Lark betraf, so ging sie, sobald sie an Bord waren, glücklich und entspannt mit Rosa um. Obwohl bildhübsch, war sie ihrem Arbeitgeber gegenüber jedoch entsetzlich schüchtern, was Rosa, die die beiden nicht aus den Augen ließ, ihre Frage beantwortete.
    Lark nahm ihre Mahlzeiten in der Suite ein, die sie zusammen mit Rosa bewohnte, da die einzige andere Möglichkeit die undenkbare zweite Klasse gewesen wäre. Aber sie begleitete Rosa an Deck, nahm an Spielen und anderem Zeitvertreib teil.
    Sechs Wochen sind jedoch eine lange Zeit. Binnen einer Woche bemühten sich mehrere Herren um Larks Bekanntschaft, und schon bald tanzten etliche Verehrer nach ihrer Pfeife. Rosa fand das amüsant, bis ihr auffiel, dass auch ihr Vater trotz zur Schau getragener Gleichgültigkeit sich zunehmend für Lark interessierte.
    Bis das Schiff in Brisbane anlegte, hatten die beiden eindeutig eine Affäre, ein Ausdruck, den Rosa an Bord gelernt hatte. Und zu ihrem Erstaunen nahm ihr Vater im
Victoria Hotel
in der Queen Street zwei Zimmer, wobei eines für Lark und ihn bestimmt war!
    Nun marschierte sie zur Eingangsseite der Kirche, setzte sich im lichten Schatten eines Gummibaums auf eine Bank und schüttelte in Gedanken an diese Unverfrorenheit den Kopf. Typisch ihr Vater. In so vieler Hinsicht kultiviert, aber gegenüber seiner Tochter streng und altmodisch. Und das hatte über die Jahre zu einigen fürchterlichen Auseinandersetzungen geführt.
    Sie sah, wie ein Herr aus der Kirche trat und stehenblieb, um sich seinen Hut wieder aufzusetzen. Er war großgewachsen und sah vornehm aus, makellos gekleidet – sein dunkler Anzug hatte einen Londoner Schnitt –, und doch war sein Gesicht leicht wettergegerbt. Vermutlich einer der Viehzüchterfreunde ihres Vaters.
    Als er an ihr vorbeikam, lüpfte er den Hut. »Mrs.Palliser!«, grüßte er. Sie glaubte, er wolle sich mit ihr unterhalten, doch er ging weiter.
    Sie beobachtete, wie er – in kerzengerader Haltung, hoch erhobenen Hauptes, fast schon arrogant – die Treppe hinunterging und die Straße überquerte. Doch dann kamen andere Trauergäste aus der Kirche, und darüber vergaß sie ihn. Sie erinnerte sich wieder an Dolour und ihre eigene Mutter.
    Rosa war dreizehn und lebte mit ihrem Vater auf der Rosario-Farm, als ihr Juan mitteilte, ihre Mutter sei ums Leben gekommen. Von einem Brauereiwagen überfahren, als sie versuchte, eine belebte Straße in London zu überqueren. Erst nach Monaten trafen sie in London ein und konnten die von Delia so geliebten weißen Rosen an ihr Grab legen. Nur sie beide. Und es war Rosa unwirklich vorgekommen. Ihr schien es, als wäre ihre Mutter einfach auf ihre vage Art in den Himmel entschwebt und hätte den zarten Duft der Rosen zurückgelassen. Delias kleiner Gedenkgottesdienst war um so vieles besser gewesen als diese Massenansammlung bei Dolours Begräbnis, zumal die Tortur am Grab noch bevorstand. Und danach dann der Leichenschmaus, der auf Juans Beharren hin in seinem Haus in Brisbane stattfinden sollte, wo
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