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Im Tal der flammenden Sonne - Roman

Titel: Im Tal der flammenden Sonne - Roman
Autoren: Elizabeth Haran Sylvia Strasser Veronika Duenninger
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hatte.
    »Mummy! Daddy!«, rief sie entsetzt und hob die Arme. »Wartet …!«
    Arabella ließ die Arme langsam sinken. Sie stand wie versteinert da und starrte fassungslos dem Zug nach, der in der Unendlichkeit der Landschaft verschwand. Als ihr klar wurde, dass man sie mutterseelenallein in dieser lebensfeindlichen Ödnis zurückgelassen hatte, ergriff sie namenloses Entsetzen, und sie brach in Tränen aus.
    So schnell würde niemand nach ihr suchen. Ihre Eltern saßen ahnungslos beim Kartenspielen. Arabella wusste, dass sie darüber oft die Zeit vergaßen und manchmal die halbe Nacht spielten. Sie würden zu Bett gehen und nicht bemerken, dass ihre Tochter verschwunden war; es würde ihnen frühestens am nächsten Morgen auffallen, wenn sie hinter den Vorhang sahen und realisierten, dass sie nicht in ihrem Bett lag. Arabella stand verlassen in der Wüste, und kein Mensch wusste, wo sie war. Der Gedanke war so unfassbar, dass sie einen verzweifelten Schrei ausstieß. Ihre Stimme verlor sich in der unendlichen Weite ringsum.
    Als sie den Zug vollends aus dem Blick verloren hatte, ließ sie sich in den Sand fallen, legte den Kopf auf die Knie und schluchzte. Auf einmal krabbelte etwas an ihrem Bein entlang. Kreischend vor Entsetzen sprang sie auf und stampfte mit dem Fuß in den Sand. Ein stechender Schmerz schoss durch ihren Knöchel und trieb ihr von neuem Tränen in die Augen. Hastig riss sie den Saum ihres Nachthemds hoch. Ein großes Insekt kroch über die Innenseite ihres Schenkels. Schaudernd vor Abscheu schlug Arabella es weg. Dann schleppte sie sich zu den Gleisen und humpelte in die Richtung, die der Zug genommen hatte.
    Wirre Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Ich könnte nach Alice Springs laufen, dachte sie. Ich muss nur den Gleisen folgen, dann verirre ich mich nicht. Dann aber fiel ihr ein, dass ihre Mutter gesagt hatte, sie würden erst am nächsten Morgen in Alice Springs eintreffen. Arabella machte sich nichts vor. Eine solche Strecke würde sie niemals zu Fuß schaffen, zumal ihr schmerzender Knöchel jetzt schon geschwollen war.
    Als die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war, fielen die Temperaturen dramatisch. Arabella zitterte vor Kälte in ihrem dünnen Nachthemd. Hinzu kam die Angst in der undurchdringlichen Finsternis, die sich über das Land gesenkt hatte. Es war eine solch tiefe Dunkelheit, wie Arabella sie nie zuvor erlebt hatte. Sie konnte die Schwellen nicht mehr sehen und stieß sich ständig die Zehen an; ihr verstauchter Knöchel schmerzte höllisch. Schließlich verließ sie die Gleise und stolperte neben der Bahnstrecke durch den Sand.
    Erst als der Mond aufging und die Sterne am tiefschwarzen Himmel funkelten, konnte Arabella etwas erkennen, doch Bäume oder Felsen, in deren Schutz sie die Nacht verbringen könnte, waren nirgends auszumachen. Von Zeit zu Zeit huschte ein Schatten vorüber, riesige Insekten und kleine nagetierähnliche Geschöpfe, und jedes Mal schrie Arabella erschrocken auf.
    Bald klapperte sie mit den Zähnen vor Kälte, und sie konnte ihre Füße kaum noch spüren. Ihre Hoffnung, dass der Zug noch in dieser Nacht zurückkehren würde, schwand mit jeder Minute. Es kam ihr vor, als irrte sie bereits seit Stunden durch die Einöde. Immer wieder sagte sie sich, es würde nicht mehr lange dauern, bis ihre Eltern bemerkten, dass sie verschwunden war, und den Lokführer zur Umkehr drängten. Arabella musste sich an diese Hoffnung klammern, wollte sie nicht den Verstand verlieren. Doch als die Minuten sich zu Stunden dehnten, verflog ihre Zuversicht. Mit der Erschöpfung wuchs ihre Niedergeschlagenheit. Sie war inzwischen völlig durchgefroren und konnte sich nur noch mühsam auf den Beinen halten. Immer wieder stolperte sie und fiel auf die Knie, die bald zerschrammt und blutig waren. Irgendwann konnte sie vor Müdigkeit kaum noch die Augen offen halten. Sie kam schwankend wie eine Betrunkene von der Bahnstrecke ab. Arabella war mit ihrer Kraft am Ende. Als sie das nächste Mal strauchelte und fiel, blieb sie völlig geschwächt im Sand liegen. Vergeblich kämpfte sie gegen die Müdigkeit an, und schließlich fielen ihr die Augen zu.
     
    Als die Dunkelheit allmählich dem Tageslicht wich, lag Arabella immer noch im ohnmachtsähnlichen Schlaf der Erschöpfung da. Irgendetwas kitzelte sie, und langsam schlug sie die Augen auf. Sie schrie entsetzt: Die größte Spinne, die Arabella jemals gesehen hatte, krabbelte an ihrem Bein entlang. Vor Abscheu und voller
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